Opferzeit: Thriller (German Edition)
sich? Warum haben Sie versucht, Ihrem Leben ein Ende zu setzen, als die Polizei Sie umstellt hat?«
»Tja, das ist kompliziert. Aber es ist eine gute Frage«, sage ich und tue so, als hörte ich diese Frage zum ersten Mal. »Ich meine, ich kann mich erinnern, wie die Polizei mich geschnappt hat, und ich weiß, dass ich dabei ziemlich schwer verletzt wurde, aber ich kann mich nicht erinnern, dass ich versucht hätte, mich zu erschießen, und natürlich auch nicht, je eine Pistole besessen zu haben.«
»Die Pistole gehörte Detective Inspector Robert Calhoun.«
»Das hat man mir erzählt. Ich kann mich an all das nur nicht mehr erinnern.«
»Okay, Joe«, sagt sie. »Wollen Sie bei dieser Geschichte bleiben?«
Das ist die Geschichte, die ich die ganze Zeit erzählt habe, und wenn ich sie jetzt ändern würde, würde ich wie ein Idiot dastehen. »Ja.«
Sie nickt. Sie kauft mir meine Geschichte ab. Dann steht sie auf. »Dann sind wir hier fertig, Joe«, sagt sie, und sie klopft an die Tür, und ich weiß, dass ich nur das Richtige sagen muss, damit sie bleibt.
»Also, einmal, da …«
Sie hebt die Hände, damit ich aufhöre. »Ich möchte gar nicht hören, was Sie sich jetzt spontan ausdenken, Joe. Aber ich komme morgen wieder. Das ist dann Ihre letzte Chance.«
Kapitel 37
Ich bin zurück in meiner Zelle, ich habe mich hingelegt, starre auf die Tür und warte darauf, dass Caleb Cole hier aufkreuzt, während ich überlege, was ich dann tun soll. Das Timing ist ziemlich unglücklich, aber vielleicht ist das bei mir einfach so. Ich bin zwar ein Typ mit bösen Gedanken, aber ich bin auch ein Unglücksrabe – was man an meinem Aufenthaltsort erkennen kann. Ich muss es bis heute Abend durchhalten. Das ist alles. Dann bin ich hier raus. Dann können mir Caleb Cole, die Gefängniswärter und Santa Suit Kenny gestohlen bleiben.
Ich habe nichts, um mich zu verteidigen. Ich weiß nicht, ob ich im Bereich für normale Häftlinge sicherer wäre, oder ob es die Wärter dort nicht so schnell zu mir schaffen würden, wenn ich zu schreien anfinge. Jedes Mal wenn ich Schritte höre, verkrampfe ich mich.
»Du warst heute nicht duschen«, sagt Adam, während er meine Zelle betritt. Ich entspanne mich, als ich sehe, dass er es ist und nicht Cole.
»Ich brauche keine Dusche.«
»O doch«, sagt er. »Du stinkst. Ich habe gehört, dass du nachher so was wie einen Ausflug machst, und die Leute, mit denen du unterwegs bist, wollen nicht, dass du ihren Wagen vollmüffelst.«
Er führt mich aus meiner Zelle. Meine Zellennachbarn hocken paarweise zusammen und quatschen, nur ein paar von ihnen sind alleine. Da ich Cole nirgends sehe, nehme ich an, dass er in seiner Zelle ist und wahrscheinlich seine Zahnbürste anspitzt. Adam führt mich zum Duschraum. Er öffnet die Tür, und niemand sonst ist da. Die Tür schließt sich hinter mir, und dann sind wir alleine – ein ziemlich ungutes Gefühl. Ich drehe mich zu ihm um.
»Kennst du den Spruch, dass das Leben ein Sandwich voller Scheiße ist?«, fragt er mich.
Ich antworte nicht.
Er deutet mit dem Kopf auf eine Bank, wo gefaltete Handtücher und halb aufgebrauchte Seifenstücke liegen. Auf dem Handtuch, das mir am nächsten liegt, befindet sich eine Papiertüte. »Nimm sie«, sagt er. Ich trete zurück. Er packt mich am Kragen und zieht mich zu sich, sodass mein Gesicht nur wenige Zentimeter von seinem entfernt ist und ich seinen Atem riechen kann; er stinkt nach Zwiebeln.
»Du schuldest mir was, Middleton«, sagt er. »Vergessen? Fürs Telefonat. So war der Deal.«
»Das mach ich nicht.«
Er lässt mich los und schubst mich leicht nach hinten. Dann streckt er die linke Hand aus und deutet damit zur Wand. Ich drehe meinen Kopf, um zu sehen, wo er hinzeigt, dann trifft mich seine Faust plötzlich in der Magengrube. Ich klappe vornüber, kriege keine Luft mehr, und er stößt mich zu Boden, auf dem von den Häftlingen, die vorhin hier geduscht haben, ein paar nasse Fußabdrücke zurückgeblieben sind. Ich lande auf dem Arsch, und das Wasser durchtränkt meinen Overall und meine Unterwäsche.
»Hier drinnen sieht und hört uns niemand, Middleton«, sagt er. »Wenn du heute Abend zurückkehrst, wirst du keine Zeit haben, mit deiner üblichen Gruppe zu duschen. Also müssen wir uns was anderes einfallen lassen. Du kannst mit ein paar der normalen Häftlinge duschen. Dann läuft das so ab, wie ich es dir gestern erzählt habe. Ein paar von ihnen stehen vielleicht auf dich. Einer der
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