Opferzeit: Thriller (German Edition)
hat, sondern rutscht einfach durch seine Hand, die nass von Blut ist. Die Wucht des Schlages ist aber heftig genug, um mich zurück auf meine aufgeschürften Knie zu zwingen. Außerdem löst der Schlag in meinen Eingeweiden einen neuen Sturm aus. Das Unwetter braut sich blitzartig zusammen, meine gesamten Innereien werden durcheinandergewirbelt, ich kann ihren Inhalt kaum länger bei mir behalten, heftige Regenschauer und ein Hurrikan sind im Anmarsch.
In dem Moment kommt der Aufseher herein, zerrt Caleb, dessen Kampfeswille spürbar nachgelassen hat, von mir weg. Ich reiße meine Hose runter, hocke mich auf die Toilette, und die Erleichterung kommt plötzlich und schmerzhaft, ist aber trotz alledem eine Wohltat. Santa Suit Kenny starrt mich an, während das Leben langsam aus ihm weicht, und ich starre zurück, mit brennenden Eingeweiden, während die Welt um mich ein wenig verblasst.
»Queen«, sagt Santa Suit Kenny. »Muff. Punch. Queen«, sagt er, und ich finde, was letzte Worte angeht, haben andere schon Geistreicheres von sich gegeben.
Ich stütze meine Ellbogen auf die Knie und tue mein Bestes, um nicht ohnmächtig zu werden. Wir starren einander an, während ich mit Scheißen beschäftigt bin und Kenny mit Sterben. Er wird nie wieder ein Wort sagen, und der Sturm in mir tobt weiter.
Kapitel 51
Schroder will nicht aufstehen. Niemals wieder. Er hat ziemliche Kopfschmerzen. Oder genauer gesagt, er hat einen ziemlichen Kater. Verursacht durch ziemliche Sauferei und durch den Umstand, dass der gestrige Tag eine ziemliche Katastrophe war. Für Jonas Jones dagegen hätte es gar nicht besser laufen können. Er war in sämtlichen Nachrichten. Er war der Mann, der den toten Detective aufgespürt hat, und die Kamera liebte ihn. Sie bannte jede Sekunde seines öffentlichen Auftritts. Den Lebenden dabei zu helfen, Kontakt zum Reich der Toten herzustellen, das war Jones’ Berufung. Eine wundervolle Gabe. Die er immer wieder aufs Neue unter Beweis stellte. Niemand sollte daran zweifeln. Und seit gestern zweifelten noch weniger Menschen daran, und wenn man mehr über ihn und seine Fähigkeiten wissen wolle, dann brauche man sich nur seine Bücher zu besorgen, die in jedem guten Buchladen erhältlich sind.
Natürlich wussten die Medien nicht, ob es tatsächlich Calhouns Leiche war – niemand wusste das –, zumindest so lange nicht, bis Kent bei Schroder anrief und ihm von der Metallschiene erzählte, die man vor fünf Jahren in Calhouns Bein genagelt hat, nachdem der Detective die Kontrolle über sein Auto verloren hatte. Keine noch so große Anzahl von Metallschienen hätte den Vergewaltiger retten können, den Calhoun damals verfolgte, denn dieser Kerl geriet zwischen Calhouns Stoßstange und die Ziegelwand einer Molkerei. Da dieser Vorgang inzwischen ein Aktenzeichen hatte, konnte man anhand der unter dieser Nummer abgelegten Unterlagen verifizieren, dass es sich bei der ausgegraben Leiche tatsächlich um die des toten Detectives handelte. Diese Entdeckung hatte einen Geldtransfer zur Folge. Menschen verdienten Geld mit einem toten Mann. Schroder eingeschlossen. Mit einem toten Mann, der gefoltert worden war. Zehn Riesen sind über Nacht auf Schroders Konto überwiesen worden. So leicht hat er sein Geld noch nie verdient, zugleich hat er sich auch noch nie so elend gefühlt.
»Das wird morgen an die Öffentlichkeit gehen«, erklärte ihm Kent, »und wenn Sie diese Information vorher rausgeben, Carl, dann schwöre ich Ihnen, dass ich nie wieder …«
»Von mir wird niemand was erfahren«, versicherte er ihr. »Machen Sie Fortschritte bei Ihren drei Leichen?«
»Wir machen Fortschritte«, antwortete sie und legte dann auf.
Er hat also letzte Nacht gesoffen, um den Schmerz zu betäuben, den Schmerz über das, was er getan und darüber, mit wem er sich da eingelassen hat. Er hat gesoffen, weil es ihm half, wenn auch nicht unbedingt in seiner Ehe, aber schließlich trank er ja auch nicht jeden Abend. Himmel, das letzte Mal, dass er einen Schluck zu sich genommen hatte, war während Detective Inspector Landrys Schicht vor vier Wochen – seither hat er keinen Tropfen mehr angerührt, denn der Drink damals hatte dazu beigetragen, dass er seinen Job verloren hat. Die Dinge gleiten ihm zunehmend aus der Hand. Vor ein paar Monaten war Kent noch die Neue in der Abteilung gewesen, und jetzt redet sie so herablassend mit ihm, als wäre er ein Niemand. Vor ein paar Monaten war er es, der Kent Befehle erteilt hatte. Wie zum
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