Opferzeit: Thriller (German Edition)
Teufel hatte es so weit kommen können?
Natürlich kennt er die Antwort darauf.
Seine Tochter hat ihn aufgeweckt, indem sie am Fußende seines Betts herumhopste, und bei jedem Sprung fühlte sein Gehirn sich an, als würde es jemand zwischen seinen Handflächen zusammenpressen. Er schaut sich mit ihr ein paar Minuten lang irgendeinen Zeichentrickfilm an, dann hüpft er unter die Dusche.
Das heiße Wasser hilft ihm, wach zu werden, es hilft, den Kater ein wenig wegzumassieren. Als er im Bad fertig ist, schlüpft er in denselben Anzug, den er gestern getragen hat, als er im Fernsehen war, denselben Anzug, den er trug, als er noch Polizeibeamter war, denn es ist der einzige Anzug, den er besitzt. Seine Frau macht Frühstück für das Baby und für seine Tochter. Er lächelt sie an, aber sie runzelt nur die Stirn, und es sieht nicht danach aus, als würde dies ein wirklich guter Tag. Es ist kurz vor halb acht, und er fühlt sich schon wieder müde. Er schüttelt ein paar Wake-E-Tabletten aus der Packung in seiner Tasche und schluckt sie, als seine Frau gerade nicht hinsieht, denn er hat keine Lust, sich ihr Gemecker darüber anzuhören, wie viele er davon schon genommen hat.
Beim Frühstück reden sie nicht allzu viel, so wie in letzter Zeit üblich. Ihr gemeinsames Schweigen wird langsam zur Gewohnheit und zu einem Problem, und er fragt sich, ob seine Ehe in die Brüche geht, und hofft verdammt noch mal, dass dem nicht so ist. Das Baby blickt zu ihm auf und lacht ihn an, woraufhin er sein Lächeln erwidert und es noch mehr lacht.
Wenn diese ganze Sache vorüber ist, diese Geschichte mit dem Schlächter, dann wird er Jones sagen … Was wird er ihm sagen? Dass er sich seinen Job an den Hut stecken kann? Aber was dann? Ohne Geld leben? Er kann dann mehr Zeit mit seiner Familie verbringen, so viel Zeit wie er will, und sie können alle unter Decken zusammengekauert in der Kälte verhungern und dann für immer zusammen sein.
Er beendet sein Frühstück, und seine Frau wünscht ihm alles Gute für den Prozess. Sie küsst ihn zum Abschied, und er umarmt sie. Vielleicht macht er sich zu viele unnötige Gedanken, vielleicht ist seine Frau einfach nur genauso müde wie er, und mit ihrer Ehe ist alles in Ordnung, denn die Umarmung fühlt sich gut und warm an, und am liebsten würde er jetzt nirgendwo hingehen, außer mit ihr ins Bett. Er küsst sein Baby zum Abschied, das lächelt und kichert, bis sich eine Schluckaufblase zwischen seinen Lippen bildet, gefolgt von einem dicken, aber kurzen Strom unverdauter Milch. Er umarmt seine Tochter und geht zur Tür.
Der Prozess beginnt um zehn Uhr. Joe wird um zwanzig vor zehn beim Gerichtsgebäude eintreffen. Das ist in dreißig Minuten. Er fährt los in Richtung Stadt. Auf sämtlichen Radiosendern geben Leute ihre Kommentare ab. Einige Reporter haben sich bereits vor dem Gerichtsgebäude eingefunden und berichten, dass sich dort immer mehr Menschen versammeln. Viele tragen Plakate, andere skandieren Sprech chöre, und dann ist da noch eine stetig wachsende Gruppe von Teenagern in Kostümen. Unter ihnen entdeckt der Reporter einen Spiderman, ein paar Xena-Kriegerprinzessinnen, vier Batmans, mindestens ein halbes Dutzend Walters aus Wo ist Walter? und dazwischen Dutzende anderer Kostüme von Manga-Charakteren bis hin zu populären Filmfiguren. Der Reporter verkündet, dass heute für alle ein harter Tag wird, und sofort ist Schroders Glauben an Reporter wiederhergestellt – wenn diese Kerle wollen, dann können Sie die Fakten richtig rüberbringen.
Er schaltet das Radio aus. In diesem Augenblick laufen Bombenspürhunde schnüffelnd durchs Gerichtsgebäude. Wenn Sie eine Bombe gefunden hätten, hätte er es bereits erfahren. Also wird der Prozess planmäßig beginnen.
An der nächsten roten Ampel sucht er mithilfe seines Handys die Telefonnummer eines Blumenladens und erhält verschiedene Einträge. An der nächsten roten Ampel wählt er eine Nummer, und er ist gerade dabei, Blumen für seine Frau zu bestellen, als die Ampel auf Grün umspringt. Er rollt über die Kreuzung, fährt dann seitlich ran, konzentriert sich auf seine Bestellung und gibt ein paar Zeilen für die Grußkarte durch. Er lächelt, als er sich vorstellt, wie seine Frau den Strauß erhält. Das wird zwar keines ihrer Probleme lösen – aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung.
»Gute Wahl«, erklärt die Frau am anderen Ende der Leitung, und er freut sich, dass zumindest ein Mensch glaubt, er würde
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