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Opferzeit: Thriller (German Edition)

Opferzeit: Thriller (German Edition)

Titel: Opferzeit: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Cleave
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Antwort richtig war, denn sie hat mir bereits gesagt, dass es keine richtigen Antworten gibt, was, wie jeder weiß, natürlich Blödsinn ist. Sie hat mir erklärt, es sei nicht ihre Aufgabe zu beurteilen, was richtig oder falsch ist, sondern sich ein Bild von mir zu machen und das Ergebnis dem Gericht vorzulegen. Natürlich war das gelogen. Wenn ich ihr erzählen würde, dass ich mich bei jedem Opfer an sämtliche Einzelheitern erinnern kann und dass ich sie umgebracht habe, weil es mir Spaß gemacht hat, würde man das als falsche Antwort betrachten. Es gibt eine Menge richtiger Antworten, die Ali dazu bringen würden, mein Plädoyer auf Unzurechnungsfähigkeit abzusegnen – ich muss nur herausfinden, welche das sind.
    Sie nimmt ihre Finger auseinander. »Hatten Sie schon immer böse Gedanken bezüglich Ihrer Mutter?«, fragt sie, und sie würde diese Frage nicht stellen, wenn sie meine Mutter kennen würde.
    »Kommt drauf an, was sie mit bösen Gedanken meinen«, sage ich. »Wir alle haben böse Gedanken.«
    »Aber wir träumen nicht alle davon, unsere Mutter umzubringen.«
    »Ach nein?«
    Ihre Augen weiten sich ein wenig, und irgendetwas von dem, was ich gesagt habe, muss sie erschreckt haben, allerdings weiß ich nicht, was. »Es ist nicht normal, Joe, solche Träume zu haben. Absolut nicht.«
    »Oh«, sage ich ehrlich überrascht, und das entgeht ihr nicht. Ich muss mich im weiteren Verlauf des Gesprächs öfter ehrlich überrascht zeigen. »Aber man kann sie doch nicht als böse Gedanken bezeichnen, wenn man schläft, oder? Niemand kann seine Träume kontrollieren.«
    »Das stimmt«, sagt sie. »Die Frauen, die Sie getötet haben«, sagt sie, und ich hebe meine Hand – die, die nicht an den Stuhl gekettet ist – und unterbreche sie.
    »Ich kann mich an keine von ihnen erinnern«, sage ich.
    »Ja, ich weiß. Das haben Sie bereits gesagt. Aber Ihre Mutter haben Sie nicht getötet, trotzdem träumen Sie, Sie hätten es getan. Träumen Sie auch noch von anderen Personen?«
    Ich schüttle den Kopf. »Nein. Bisher nicht.«
    Sie nickt. Und ich weiß, was sie denkt. Sie stellt eine Verbindung zwischen meiner Mutter und diesen Leuten her. Sie versucht herauszufinden, ob jede der Frauen, die ich getötet habe, eine Möglichkeit war, meine Mutter zu töten, ohne sie tatsächlich zu töten; ob diese Personen Ersatzopfer waren.
    »Erzählen Sie mir von Ihrer Mutter«, sagt Abby-Ali mit verführerischer, sinnlicher Stimme, und ich verstehe nicht, warum man eine Frau an einen Ort wie diesen geschickt hat, um einen Typen wie mich zu befragen, bis ich begreife, dass sie offensichtlich unter einem Böse-Jungs-Komplex leidet. Doch dann wird mir klar, dass das gar nicht der Grund ist – nein, eine Frau, die zu meiner Verteidigung aussagt, wird bei der Jury einen guten Eindruck hinterlassen. Die Geschworenen werden feststellen, dass in der Zeit, die sie mit mir verbracht hat, der Prozentsatz an Vergewaltigungen und Morden zwischen uns bei null Komma null lag. Und dann wird mein Beliebtheitsgrad durch die Decke gehen.
    »Sie wird heiraten«, erzähle ich ihr.
    »Wie fühlen Sie sich dabei?«
    Ich wette, diese Frage hat sie als Nächstes gelernt, nachdem sie draufhatte, wie man die Hände aneinanderlegt, und bevor man ihr beigebracht hat, wie man Ellbogenflicken aus Leder auf Jackenärmel näht. Denkt dran, liebe Studenten, wenn alle Stricke reißen, greift auf das »Wie fühlen Sie sich dabei?« zurück . Offensichtlich ist es das, worum es in der Psychiatrie geht. Die Wenn-alle-Stricke-reißen-Technik. Um Psychiater, die ihrer eigenen Meinung nicht trauen und erst einmal von ihrem Patienten Antworten verlangen.
    »Fühlen? Ich fühle gar nichts dabei«, sage ich.
    »Macht es Sie nicht wütend?«
    »Warum zum Henker sollte es mich wütend machen?«, sage ich, und ich bin wütend, nicht nur auf Ellen, sondern auch auf meine Mutter.
    »Vielleicht haben Sie durch die Hochzeit das Gefühl, verlassen worden zu sein«, sagt sie. »Vielleicht denken Sie, dass Ihrer Mutter Sie und Ihre Situation egal sind, weil sie sich einem neuen Mann zuwendet, obwohl Sie doch seit dem Tod Ihres Vaters der einzige Mann in ihrem Leben waren. Wann ist die Hochzeit?«
    »Am Montag«, sage ich.
    Sie nickt, als sei das eine Bestätigung für Ihre Aussage. »Der Tag, an dem der Prozess beginnt.«
    »Ich fühle nichts von dem, was Sie gerade gesagt haben«, sage ich und bin wütender auf meine Mutter als je zuvor. Sie hat sich bereits einem neuen Mann

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