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Opferzeit: Thriller (German Edition)

Opferzeit: Thriller (German Edition)

Titel: Opferzeit: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Cleave
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Missbrauch Ihrer Tante.«
    »Ich habe sie nicht missbraucht«, sage ich. »Warum denken Sie gleich das Schlimmste? Wie soll ich einen fairen Prozess bekommen, wenn alle …«
    Sie hebt eine Hand, um mich zu unterbrechen. »Hören Sie zu, Joe. Sie verstehen mich falsch. Ihre Tante hat Sie missbraucht. Sie waren ein unschuldiger Junge, und sie hat einen Fehler, den Sie gemacht haben, ausgenutzt. Was ich wissen will: Wie lange hat sie Sie missbraucht, bevor die Katze starb, und wie lange ging es danach noch weiter.«
    »Oh«, sage ich. Ja, das ergibt schon eher Sinn. Aber … der Missbrauch ? War es das? »Oh«, wiederhole ich, erleichtert, dass sie auf meiner Seite ist. Sobald man mich etwas besser kennenlernt, ist man immer auf meiner Seite. Aber mal ehrlich – sobald der Begriff Missbrauch in die Runde geworfen wird, wirke ich wie ein Weichei. »Das war ungefähr zur Hälfte. Ein Jahr nachdem der … der … Missbrauch begonnen hatte, und nach dem Tod der Katze ging es noch ein Jahr weiter.«
    »Wie hörte es auf?«
    »Sie meinte bloß, dass sie mit mir fertig sei. Ich habe das nicht verstanden. Einfach so. Ich hätte es eigentlich ahnen müssen. Gegen Ende war ich immer seltener bei ihr. Ich fühlte mich … ich weiß nicht. Irgendwas.«
    »Zurückgewiesen?«
    »Nein. Erleichtert«, sage ich, aber sie hat recht, ich fühlte mich zurückgewiesen. Und dann wird mir klar, dass es sich lohnen könnte, ihr davon zu erzählen, weil ich dadurch kaputter erscheine und nicht wie die gefestigte Persönlichkeit, die ich in Wirklichkeit bin. »Ich meine, natürlich fühlte ich mich zurückgewiesen. Ich wollte mit meiner Tante zwar keinen Sex haben, aber ich habe nicht kapiert, warum einfach Schluss war. War ich nicht gut genug für sie?«
    »Darum ging es dabei nicht«, sagt sie.
    »Worum dann?«
    »Sie waren das Opfer«, sagt sie. »Es ging dabei um Macht. Sie hat jemanden gesucht, den sie kontrollieren konnte. Wahrscheinlich hatte sie das Gefühl, dass Sie zu selbstbewusst, zu erwachsen geworden waren. Was hatten Sie danach für ein Verhältnis zu ihr?«
    »Gar keins. Ich habe sie nie wiedergesehen.«
    »Weder an Weihnachten noch bei irgendwelchen Familienfeierlichkeiten?«
    »Auf der Beerdigung meines Vaters«, sage ich. »Ich glaube, das war das einzige Mal. Aber wir haben nicht mitein ander geredet. Ich meine, ich hab’s versucht, doch sie hatte keine Zeit für mich. Sie hing mit Gregory, einem meiner Cousins, zusammen, er ist fünf Jahre jünger als ich. Es war seltsam. Irgendwie fehlte sie mir.«
    »Das ist verständlich«, sagt sie.
    »Was?«
    »Ist nicht wichtig«, sagt sie, und sie hat recht, ehrlich. Es ist nicht wichtig. Ich schlage nur die Zeit tot in einem Zimmer, das auch nicht viel freundlicher ist als meine Zelle. So lange, bis Melissa mich rettet. Ich schlage die Zeit tot in einem Zimmer mit einer wunderhübschen Frau. Es sollte im Leben mehr solche Gelegenheiten geben, etwas totzuschlagen.
    »Sie trifft keine Schuld an dem, was sie mit Ihnen getan hat, Joe.«
    »Doch. Wenn ich nicht in ihr Haus eingebrochen wäre …«
    »Sie hat Sie ausgenutzt, Joe. Sie war erwachsen, und Sie waren noch ein Kind.«
    »Ich weiß«, sage ich. »Aber wenn ich nicht in ihr Haus eingebrochen wäre, dann wäre das alles nicht passiert. Wer weiß, wo ich jetzt wäre?«
    »Was wollen Sie damit sagen?«, fragt sie, beugt sich vor, und ich habe das Gefühl, dass bei ihr die Alarmglocken schrillen.
    »Weiß nicht.«
    »O doch.«
    »Ich meine, vielleicht hat damit alles angefangen.«
    Sie tippt mit ihrem Stift auf den Block. »Alles? Es klingt, als würden Sie sich selbst analysieren, Joe.«
    »So habe ich das nicht gemeint«, sage ich. »Ich meine nur, wissen Sie, vielleicht führte dieser Weg auf einen anderen, und dieser wieder auf einen anderen.«
    »Sind Sie sicher, dass Sie nie in Erwägung gezogen haben, sie umzubringen?«
    »Nein. Nein, natürlich nicht.«
    »Die meisten Menschen in der Situation hätten das getan.«
    »Tja, ich aber nicht«, sage ich, aber in Wirklichkeit habe ich es mir vorgestellt. Jedes Mal wenn sie unter mir lag und ich auf ihr Gesicht runterschauen musste, wollte ich ihr meine Hände um den Hals legen. Verdammt, und ich wollte mir selbst die Hände um den Hals legen und zudrücken. Aber trotzdem fehlte sie mir.
    »Wann haben Sie das erste Mal einen Menschen getötet, Joe?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Sie wissen es nicht?«
    »Ich kann mich nicht erinnern, jemanden getötet zu ha ben, und falls doch, also,

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