Ophran 3 Die entflohene Braut
einen Überblick über die verzweifelte finanzielle Lage seines Konkurrenten. Lord Hutton hat Recht, erkannte er. Angesichts der Schwindel erregend hohen Schulden bestand keine Hoffnung für das Unternehmen, die Mittel zur Bezahlung seines neuesten Schiffes aufzubringen. Great Atlantic würde entweder auf eine Auslieferung verzichten oder das Schiff auf der Stelle verkaufen müssen.
„Angenommen, du könntest das Schiff für einen besonders günstigen Preis bekommen, würde es natürlich eine Weile dauern, bis du das nötige Geld beisammen hast“, sagte Edward nachdenklich. „Wenn du mir jedoch erlauben würdest, dir zu helfen... “
„Ich habe kein Interesse daran, ihr Schiff zu kaufen“, fiel ihm Jack ins Wort und schlug das Buch zu. „Ich werde die ganze verfluchte Reederei kaufen! “
Edward starrte ihn verblüfft an.
„Wenn Ihre Informationen der Wahrheit entsprechen und diese zweite Bank in den nächsten Tagen Konkurs anmeldet, steht Great Atlantic vor dem Bankrott. “ Verhaltene Erregung stieg in ihm auf. „Wenn ich genug Investoren finde, kann ich das Unternehmen zu einem Bruchteil seines Wertes kaufen und mit meinem verschmelzen. Und um sicherzugehen, dass Great Atlantic mein Angebot ernsthaft in Erwägung zieht, werde ich sie davon in Kenntnis setzen, dass ich Beweise dafür habe, dass sie für die Sabotageanschläge auf meine Schiffe verantwortlich sind. Wenn sich das herumspricht, werden die Verantwortlichen nicht nur zur Zielscheibe öffentlicher Kritik, sondern ich werde auch dafür sorgen, dass selbst der Letzte von ihnen vor Gericht kommt. Irgendwie bezweifle ich, dass Vorstandsmitgliedern wie Philmore und Spalding die Vorstellung gefällt, im Gefängnis zu landen. “ Freude stieg in dem alten Grafen auf. Er hatte sich seit Monaten nicht mehr so frisch und lebendig gefühlt. „Falls ich noch irgendetwas für dich tun kann... vielleicht könnte ich einer deiner Kapitalanleger sein... “
Jack schüttelte den Kopf. „Das ist genug. Vielen Dank. “ Edward versuchte, seine Enttäuschung zu verbergen. Es war nicht genug, und sie wussten es beide. Nichts würde je wieder gutmachen können, dass er seinen Sohn und Sally Moffat im Stich gelassen hatte.
„Werde ich dich wieder sehen? “ Edward gab sich Mühe, seiner Stimme einen gleichmütigen Klang zu verleihen.
„Ich nehme an, dass es Ihnen nicht gefallen würde, wenn die Leute sich das Maul darüber zerreißen, warum ich wohl so plötzlich angefangen habe, Sie zu besuchen. Gewiss habe ich Ihnen bereits genug Unannehmlichkeiten bereitet, indem ich heute Abend mit einem Dolch an Dempseys Kehle hier eingedrungen bin. “
„Es kümmert mich nicht im Geringsten, was die Leute reden“, brummte Edward. „Ich würde mich geehrt fühlen, wenn du mich noch einmal besuchen würdest. “
„Wir werden sehen. “
Edward nickte. Er verstand, dass er keine verbindlichere Zusage bekommen würde. „Sag mir nur eins. “ Er schaute Jack gespannt an. „Ist sie wirklich diese vermisste Erbin? “ Jack verzog keine Miene. „Wer? “
„Treib keine Spielchen mit mir! Ich bin alt und krank und überlebe womöglich nicht einmal die kommende Nacht. Ich gebe dir mein Wort, dass dein Geheimnis bei mir sicher aufgehoben ist. Ist sie Amelia Belford? “
Jack zögerte. Er kannte Hutton nicht gut genug, um ihm zu vertrauen. Und selbst wenn er es täte, konnte er nicht sicher sein, dass nicht irgendein neugieriger Diener an der Tür lauschte. Irgendwie brachte er es jedoch nicht übers Herz, den alten Mann zu belügen.
„Schon gut. “ Edward ließ sich in die Kissen zurücksinken und schloss erschöpft die Augen. „Sag meinen Dienern, sie sollen dich auf dem Weg hinaus nicht umbringen, andernfalls wäre ich höchst verärgert. “
Er wurde verabschiedet. Jack erkannte, dass es nichts weiter zu besprechen gab, nahm die Bücher an sich, die Lord Hutton ihm gegeben hatte, und ging zur Tür. Er legte die Hand auf die Klinke und hielt dann inne. „Gute Nacht, Lord Hutton. “ Edward nickte knapp und tat, als sei er zu müde, Jack beim Verlassen des Zimmers zu beobachten.
Erst als die Tür ins Schloss gefallen und er sicher war, allein zu sein, öffnete Edward die Augen und ließ die bitteren Tränen fließen, die ihn daran gehindert hatten, seinem Sohn Lebewohl zu sagen.
Amelia setzte sich mit heftig pochendem Herzen auf.
Sie hatte vollständig bekleidet auf Jacks Bett gelegen. Die Öllampe auf dem Nachttisch tauchte das Zimmer in ein warmes
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