Optimum 1
Meine Eltern zahlen das Schulgeld, die können doch froh sein, wenn ich hier bin. Mit Leuten wie mir finanzieren sie doch diesen Kasten, damit diese ganzen Stipendiumsempfänger hierbleiben können.« Sie verzog das Gesicht und spuckte auf den Boden.
Eliza zuckte zusammen, als hätte Alina ihr einen Schlag versetzt. Wusste sie, dass Eliza auch ein Stipendium bekam?
»Hier steht, du hast noch bis zum Ende des Schuljahres die Chance, deine Leistungen zu verbessern«, sagte sie vorsichtig. »Und die erste Zwischenwertung findet auch erst beim Halbjahreszeugnis statt. Das ist doch noch eine ganze Menge Zeit, bis dahin … «
»…wird sich rein gar nichts ändern«, schnaubte Alina. »Ich kann einfach nicht besser werden, ich hab’s doch schon versucht. Aber ganz egal, wie viel ich büffle – «
»Was ist mit Nachhilfe?«, wollte Eliza wissen. Sie wusste nicht, warum, aber es war ihr auf einmal enorm wichtig, Jos Zimmergenossin bei ihrem Problem zu helfen. Als könne sie damit im Nachhinein Jos Tod irgendwie sühnen. »Die Lehrer – «
Alina schüttelte den Kopf. »So, wie die das erklären, verstehe ich es einfach nicht. Und für Einzelunterricht mit mir scheint niemand Zeit zu haben.«
»Aber – « Doch Eliza unterbrach sich selbst, bevor sie weitersprechen konnte. Sie hatte sagen wollen, dass doch immer Lehrer für Einzelnachhilfe zur Verfügung standen, dass sie selbst mehrfach angeboten bekommen hatte, Stunden in Sozialkunde zu nehmen oder in Kommunikationswissenschaften, aber vielleicht war auch das etwas, das nur den besten Schülern an der Daniel-Nathans-Schule angeboten wurde. Sie hatte sich noch nie Gedanken darüber gemacht. Und Rica war ihre erste Freundin, die nicht zu dieser kleinen, elitären Gruppe gehörte. Sie wusste also gar nicht, wie es für die »normalen« Schüler hier war.
»Wenn du möchtest«, schlug sie ein wenig schüchtern vor, »könnte ich dir ja Nachhilfe geben. Ich weiß natürlich nicht, ob es was bringt, aber wenn es dir hilft, ohne die anderen Schüler zu lernen, vielleicht kann ich dir ja ein paar Sachen erklären.«
Alina starrte sie an. Einen Augenblick lang dachte Eliza, dass sie einen grässlichen Fehler gemacht hatte, dass es endlos unverschämt war, einer Älteren Nachhilfe anzubieten. Ganz bestimmt würde Alina ihr als Nächstes ordentlich den Kopf waschen.
Doch zu ihrer Überraschung sah sie, wie ein Lächeln über Alinas Züge glitt. »Das ist das erste Mal, dass mir einer von … dass mir ein Schüler so etwas anbietet«, sagte Alina.
Eliza war sich sicher, dass sie »einer von euch« hatte sagen wollen, und sie spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg. »Also, wenn du magst … «, begann sie.
Alina nickte. »Das wäre wirklich sehr nett. Bist du gut in Mathe? Die meisten anderen Fächer krieg ich unter Umständen noch hin, aber Mathe … «
Eliza lächelte. »Das wird schon. Ich muss mich vielleicht ein bisschen in den Stoff reinarbeiten, den ihr gerade durchnehmt. Ich bin ja ein paar Klassen unter dir.« Sie hoffte, dass Alina das jetzt nicht als arrogant auffasste. Doch die sah ganz entspannt aus.
»Danke«, sagte sie. »Wirklich. Danke. Wenn ich es schaffe, an der Schule zu bleiben, dann schulde ich dir was. Egal was. Such dir was aus!«
Eliza winkte ab. »Nicht der Rede wert. Sehen wir erst einmal, ob es was bringt, oder?«
Alina musterte sie nachdenklich und schien mit sich zu ringen. »Du bist mit dieser Neuen befreundet, oder? Dem Mädchen mit der Kamera? Wie heißt sie noch gleich?«
»Rica«, sagte Eliza. Ich weiß allerdings nicht, ob ich wirklich noch mit ihr befreundet bin.
»Genau. Sie war neulich bei mir und hat mich über Jo ausgehorcht. Sagte etwas von der Schülerzeitung. Nicht dass ich ihr das wirklich geglaubt habe. Aber meinst du, sie ist immer noch an Zeug über Jo interessiert?«
Hier war die Gelegenheit, auf die Rica immer gewartet hatte, und jetzt musste Eliza sich endlich entscheiden, was sie tun wollte. Sie nickte. »Bestimmt«, erwiderte sie. »Sie … Wir würden wirklich gern wissen, was Jo passiert ist.«
Alina bückte sich und las ihren Schulrucksack vom Boden auf. Sie öffnete die Vorderklappe und suchte eine Zeit lang darin herum, bis sie schließlich ein kleines Notizbuch mit einem dunkelbraunen Umschlag herauszog und Eliza hinstreckte.
»Jos Tagebuch«, sagte sie so beiläufig, als sei es überhaupt nichts Besonderes, dass sich das Buch in ihrem Besitz befand. »Ich hab es eingesammelt, bevor die Typen in den
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