Optimum 1
offensichtlich in der Absicht, von allen Anwesenden gehört zu werden. Es ist ein Standgericht , dachte Rica, er macht eine Schau daraus.
»Ich weiß nicht. Ich war plötzlich so wütend auf ihn«, stammelte Fabian und zeigte auf Torben, der immer noch völlig teilnahmslos in den Händen des Portiers hing. »Wir waren im Park, und da ist er vorbeigekommen. Und dann …« Er hob die Schultern und machte ein hilfloses Gesicht. »Wir mussten ihn einfach verprügeln, wissen Sie?« Ihm schien selbst bewusst zu sein, wie dumm sich das anhörte, und er versuchte es mit einem entschuldigenden Lächeln, doch das misslang ihm kläglich. »Also haben wir das Zeug geholt und sind ihm nach.«
»Einfach so?« Obwohl es eine Frage war, klang der Rektor lange nicht so ungläubig, wie Rica es in so einer Situation normal gefunden hätte.
Wieder zuckte Fabian mit den Schultern.
»Tut uns leid«, raunte er vage in Torbens Richtung. »Weiß auch nicht.«
Der Rektor richtete sich auf und wandte sich von der kleinen Gruppe ab und Frau Jansen und dem Portier zu. »Kannst du dir das erklären?«, fragte er Torben, doch der reagierte überhaupt nicht. Er wirkte nicht einmal so, als habe er die Frage überhaupt gehört. Und Rica fiel noch etwas auf. Der Rektor schien gar keine Antwort erwartet zu haben. Anstatt zu Torben sah er nämlich während des Sprechens zu Frau Jansen. Und zwischen den beiden flog ein Blick hin und her, der deutlich machte, dass hier mehr, sehr viel mehr passierte, als ausgesprochen wurde.
»Ich werde mit ihnen reden«, mischte sich Frau Jansen wieder ein, »vielleicht bekomme ich mehr heraus.« Und dieses Mal widersprach der Rektor nicht.
»Reden Sie auch mit Torben«, sagte er. »Ich glaube, es ist nötig, seine Akte noch einmal in Augenschein zu nehmen.« Und damit drehte er sich um und verließ die Halle wieder so schnell, wie er gekommen war. Rica erkannte an den anderen Gesichtern, dass sie nicht als Einzige verwirrt war
»Komm!«, sagte eine leise Stimme neben ihr. »Gehen wir! Wir können im Café reden.« Rica drehte den Kopf und sah Eliza neben sich stehen. Sie wirkte blass und müde, machte aber einen entschlossenen Eindruck.
Erst wollte Rica widersprechen, doch dann sah sie, wie Frau Jansen zu ihr herüberblickte. Die Augen der Therapeutin verengten sich merklich.
Rasch nickte Rica Eliza zu. »Verschwinden wir«, meinte sie, »bevor ich auch noch zu der Psychotante bestellt werde.«
Kapitel zehn
Verhöre
Sobald sie die Schülerunterkünfte hinter sich gelassen hatten, schien es Rica auf einmal keine so gute Idee mehr zu sein, abzuhauen. Immer wieder blickte sie zurück zum Gebäude, aus dem allmählich die Schüler in kleinen Gruppen abzogen. Torben und Frau Jansen waren nirgendwo zu sehen.
»Ich muss mit Lars reden.« Die Erkenntnis traf sie wie ein Schlag, und Rica blieb stehen. Lars hatte mehr mit Jo zu tun gehabt als sonst jemand. Und er war gerade hier. Die Gelegenheit war günstig.
»Später«, widersprach Eliza, packte sie am Arm und zog sie weiter mit sich.
Sie schienen die Einzigen zu sein, die Richtung Café unterwegs waren. Alle anderen Schüler im Park hatten offensichtlich jetzt erst mitbekommen, dass irgendwas Spannendes passiert war, und eilten zu den Unterkünften. Mehr als einmal versuchte einer von ihnen, sich Eliza und Rica in den Weg zu stellen und sie auszufragen. Aber Eliza winkte jedes Mal ab, und endlich wurde der Strom aus Schülern weniger, und sie konnten sich wieder frei bewegen. Im nächsten Augenblick kam auch schon das Café in Sicht, eingekuschelt zwischen hohen Büschen und jungen Weiden, der kleine, nicht ganz saubere Teich davor bedeckt von treibenden Weidenblättern. Eliza zog Rica zu einer der hölzernen Sitzgruppen vor dem Café, direkt unter einen der quietschgelben Sonnenschirme.
»Jetzt komm mal endlich runter!«, wies Eliza Rica zurecht und drückte sie auf einen Stuhl. Rica verdrehte die Augen, gab jedoch nach. Seufzend nahm sie sich die laminierte Speisekarte und studierte sie.
»Lars hat jetzt ohnehin keine Zeit«, sagte Eliza und winkte der Schülerin, die heute Dienst im Café hatte. Rica glaubte, dass sie Tara hieß, war sich aber nicht ganz sicher. Das Café wurde von einer Gruppe Oberstufler betreut, die sich sorgfältig von den anderen fernhielten, wenn sie nicht gerade servierten.
Rica zuckte mit den Schultern und sah zur Bedienung auf. »Eine Cola«, meinte sie. »Und wenn ihr noch so einen Nusskringel habt …« Tara nickte und blickte
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