Optimum 1
zu Eliza.
»Milchkaffee«, knurrte Eliza, bevor sie sich abwandte. Offensichtlich wollte sie Tara schnell loswerden. Sie sah aus, als hätte sie etwas auf dem Herzen.
Tara blieb am Tisch stehen. Sie sah von einer zur anderen. »Was ist denn oben los? Wir haben hier nur gehört, dass jemand umgebracht worden ist –«
»Unsinn.« Rica gelang es nicht, ihren Ärger zu verbergen »Es war nur eine Prügelei, nichts weiter.«
Tara sah ein wenig enttäuscht aus, rührte sich aber nicht, als erwarte sie einen detaillierten Bericht. Doch als Eliza und Rica sie weiter ignorierten, zuckte sie mit den Schultern und drehte sich um. Mit betont lässigen Bewegungen schlenderte sie zurück ins Café. Rica sah ihr verdrossen nach. Dabei war sie gar nicht mal auf Tara wütend. Es schien heute nur alles schiefzulaufen. Und dann hatte Eliza sie auch noch hierhergeschleppt, obwohl sie eigentlich etwas Wichtigeres zu tun gehabt hätte.
»Weißt du, die Leute hier gehen mir so auf die Nerven«, knurrte sie. »Wenn wir erst mal das Café übernehmen, werde ich da einiges ändern.«
Eliza ließ sich auf ihrem Sitz zurücksinken. »Bis wir alt genug sind, bist du doch eh nicht mehr hier«, meinte sie. Ihre Stimme klang so traurig, dass es Rica einen kleinen Stich versetzte. »Ist es nicht das, was du die ganze Zeit predigst? Dass du nach einem Jahr hier weg bist?«
Rica biss sich auf die Unterlippe und versuchte, ihr schlechtes Gewissen zu unterdrücken. Hatte sie Eliza so verletzt? »Hängt davon ab, wie lange meine Ma hierbleiben will«, wich sie schließlich aus. »Aber das ist jetzt ja eh nicht so wichtig.« Sie schlug die Beine übereinander und lehnte sich ebenfalls auf ihrem Holzstuhl zurück. »Hast du mitbekommen, was da gerade los war?«
* * *
Eliza sah verlegen zur Seite. Hast du etwas mitbekommen? Ja, hatte sie, aber sie war sich nicht sicher, ob sie es Rica erzählen wollte.
Nach der Abfuhr, die er ihr erteilt hatte, war sie Torben durch den Park gefolgt und hatte mitbekommen, wie er an der kleinen Schülergruppe vorbeigegangen war. Und was sie dann gesehen hatte, konnte sie bis jetzt immer noch nicht richtig einordnen. Es würde ihr sogar schwerfallen, es irgendwie in Worte zu fassen, obwohl die Szene noch genauso deutlich vor ihren Augen auftauchte, als würde es gerade in diesem Moment noch mal passieren.
Torben geht den Weg hinunter, den Blick zu Boden gesenkt, sich seiner Umgebung offensichtlich überhaupt nicht bewusst. Die anderen Schüler sitzen immer noch im Gras herum, entspannt und locker, froh über den unerwarteten freien Nachmittag. Die Sonne scheint. Ein paar Jungs werfen sich ein Frisbee hin und her, andere lungern am Rand des Basketballfeldes herum und beobachten drei Mädchen beim Streetballspielen. Es herrscht eine unangemessene Ferienstimmung, und bis auf ein paar bedrückte Unterstufler, die in einer Ecke hocken und eine Fotocollage zusammenstellen, scheinen alle Jo vergessen zu haben. Eliza wirft im Vorbeigehen einen Blick auf die Fotos. Bilder von Jo, aus der Schülerzeitung ausgeschnitten, von ihrer Facebookseite ausgedruckt. Die Kids schnipseln daran herum und kleben sie sorgfältig auf einen Karton, den sie mit ausgeschnittenen roten Rosen und Herzen verziert haben. Kitsch, der Jo nicht gefallen hätte.
Torben trottet herum wie ein Zombie, ohne etwas zu sehen, zu hören, ohne die Sonne auf seinem Gesicht oder den Kies unter seinen Füßen zu bemerken. Eliza kann nicht einschätzen, ob er überhaupt weiß, in welche Richtung er geht. Schließlich erreicht er eine Gruppe Schüler, die sich zwei Bänke aneinandergeschoben haben und unter viel Gelächter Karten spielen. Zuerst geht Torben an ihnen vorbei, als habe er die Jungen nicht gesehen, und diese beachten ihn genauso wenig. Dann plötzlich bleibt er stehen, richtet sich auf, als wäre er gerade aus einem Traum erwacht und dreht sich um. Langsam, immer noch wie in Trance.
Er steht einfach nur da und sieht die Schüler an, die ihn immer noch nicht beachten. Sie spielen irgendein Stichspiel, fürchterlich laut und übertrieben fröhlich. Eliza fragt sich, ob sie Jo gekannt haben und auf diese Weise versuchen, das Geschehene zu verdrängen. Dann setzt sich Torben wieder in Bewegung, dieses Mal nicht teilnahmslos. Er geht auf die kleine Gruppe zu. Die Schüler blicken erst auf, als er direkt vor ihnen stoppt und auf sie hinuntersieht. Der Älteste von ihnen dreht den Kopf ein wenig, blickt zu Torben auf, fragt etwas und lacht dabei.
Torben
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