Optimum 1
einen der vielen ambitionierten Reitwettbewerbe vorzubereiten, an denen die Schüler teilnehmen durften.
Rica konnte mit Pferden nicht richtig viel anfangen, aber sie musste zugeben, dass es schon nett aussah, wenn man aus dem Wald kam und vor einem die Wiese lag, gesprenkelt mit Islandpferden in den verschiedensten Farben, gescheckt oder einfarbig, mit ihren wilden, zotteligen Mähnen und ihrem dichten Pelz.
Das Haus der Bennetts lag ein kleines Stück hinter dem Ponyhof, vielleicht war es früher mal ein Nebengebäude gewesen. Inzwischen hatte man es jedoch modernisiert und ausgebaut, und von seiner Vergangenheit zeugte nichts außer einem übergroßen Eingangstor, das in einen hohen, hellen Raum führte, in dem vielleicht früher einmal ein Karren oder eine Kutsche hatten untergestellt werden können.
Das Tor stand weit offen, als Rica das Häuschen erreichte, und sie konnte einen mit Steinplatten ausgelegten Fußboden erkennen, darauf eine Sitzgruppe aus hölzernen Gartenmöbeln direkt unter einem großen Oberlicht. Ein Standgrill war neben dem Tisch aufgebaut worden, es roch noch leicht nach kalter Asche und Grillfett. Im dämmrigen Licht konnte man gerade so Klettergriffe erkennen, die an die rückwärtige Wand geschraubt worden waren. Eine Kletterwand, mitten im Haus! Rica musste grinsen. Ein Stück seitlich des Tisches stand eine hohe Pinnwand, die übersät war mit Fotos. Wahrscheinlich die glücklichen Schüler von Lars und Andrea, so genau war das auf diese Entfernung nicht zu erkennen.
Der Hof vor dem Haus war sonnenüberflutet und mit hölzernen Sitzbänken versehen. Ein alter Schäferhund döste neben einer der Bänke und hob träge den Kopf, als Rica näher kam, aber sonst war niemand zu sehen.
»Hallo?« Langsam ging Rica auf das große Tor zu und suchte vergeblich nach einer Klingel oder einem Türschild. Neben der Kletterwand drinnen schien eine kleinere Tür weiter ins Innere des Hauses zu führen. Ob sie einfach reingehen sollte? War das nicht unhöflich?
Sie trat noch einen Schritt näher an das Tor. Wie auf Befehl hob der Hund seinen Kopf, witterte in ihre Richtung, zog seine Lefzen hoch und begann, leise zu knurren. »He, ganz ruhig, ich will dir nichts tun. Ich will hier auch nicht einbrechen«, versuchte Rica das Tier zu besänftigen und trat von der Tür zurück. Der Hund beobachtete sie misstrauisch, hörte aber auf zu knurren, als habe er sie verstanden. Rica musste lächeln. Sie ging langsam zu ihm hinüber und hockte sich neben ihn, um ihm über das Fell zu streicheln. Er hatte so lange in der Sonne gelegen, dass sein weicher Pelz sich angenehm warm unter ihren Fingern anfühlte. Er schloss genüsslich die Augen, als Rica ihm den Kopf kraulte, und schien seine Abneigung schon vergessen zu haben.
»Ich muss mit Lars sprechen«, sagte Rica zu dem Hund. »Du weißt nicht zufällig, wo er ist?«
»Wenn er es wüsste, würde er es dir sicher nicht sagen.« Rica fuhr zusammen, als neben ihr Andreas Stimme erklang. Sie stand so hastig auf, dass auch der Hund zusammenzuckte und nun wieder zu knurren anfing.
Rica drehte sich um. Andrea Bennett, das blonde Haar hochgesteckt, in verwaschenen Bluejeans und einem karierten Hemd, war so lautlos wie ein Geist neben ihr aufgetaucht. Der Blick, den sie Rica schenkte, war nicht gerade freundlich. Abschätzig musterte sie sie von oben bis unten.
»Was willst du von Lars?« Ihr Tonfall war kühl und ablehnend.
»Ich wollte mit ihm über Jo sprechen.«
»So?« Andrea verschränkte die Arme vor der Brust und sah Rica immer noch ziemlich feindselig an. Es war, als habe allein die Erwähnung von Jos Namen ausgereicht, um sie gegen Rica aufzubringen.
Rica holte tief Luft. »Alina, also Jos Zimmerkameradin, hat mir erzählt, dass sie häufig hier bei euch war. Auch außerhalb der Kletterstunden.« Schlecht, ganz schlecht, das merkte sie daran, dass sich Andreas Gesichtsausdruck noch weiter verfinsterte. Rica beschloss, es mit der Mitleidsnummer zu versuchen. »Andrea, bitte, ich würde einfach gern verstehen, was mit Jo los war. Ich hätte nie gedacht, dass sie zu so etwas fähig ist.« Sie ließ den Kopf hängen und verzog das Gesicht zu einer Maske des Kummers. »Ich habe eine Freundin verloren, und ich wüsste nur gern, warum. Kannst du das nicht verstehen?«
Sie war sich ziemlich sicher, dass Andrea ihr Schauspiel durchschauen würde. Gleich war ein Wutanfall fällig, das konnte sie spüren. Die Luft knisterte regelrecht, und Rica fragte sich,
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