Optimum - Purpurnes Wasser (German Edition)
voll, aber Rica ergatterte einen Platz, der gerade von einer Unterstüflerin geräumt wurde. Rasch rief sie ihren neuen Facebook-Account auf. Unter ihrem Aufruf hatten sich zahlreiche Kommentare gesammelt, die meisten taugten nichts und unterstellten ihr nur wieder, dass sie paranoid wäre oder dass sie nach Aufmerksamkeit suchte. Aber ein paar waren dabei, die zumindest echt sein könnten. Zwei User mit nichtssagenden Nicknames hatten gepostet, dass ihre Eltern beim Institut in Behandlung wären, sie hätten die Papiere zu Hause gesehen. Einer davon, ein ganz nett klingender Junge, hatte Rica zusätzlich eine Nachricht geschrieben, dass er nach der Adresse des Instituts suchen könnte, wenn sie das wollte. Er würde nur gerne wissen, was sie sonst noch herausgefunden hatte. Er klang so, als mache er sich Sorgen, und Rica begriff schnell, dass er vermutlich zu den Kindern gehörte, die aus der Kinderwunsch-Behandlung hervorgegangen waren. Sie verwies ihn auf ihr Forum und rief es gleich darauf selbst auf. Ein rascher Blick auf die Uhr sagte ihr, dass sie noch eine halbe Stunde hatte, bevor der Nachmittagsunterricht begann. Danach musste sie wohl oder übel nach Hause gehen, wenn ihre Mutter ihr nicht den Sicherheitsdienst auf den Hals schicken sollte.
Der User, den sie heute Morgen auf das Forum verwiesen hatte, hatte sich angemeldet, aber Rica musste ihn noch manuell freischalten. Das hatte sie absichtlich so eingerichtet, damit nicht jeder Beliebige hereinspazieren und wichtige Informationen abgreifen konnte. Oder vielleicht sogar ans Institut weitergeben, was sie hier besprachen. Sie hing noch ein bisschen selbst im Forum herum, in der Hoffnung, dass der User online kommen würde, aber es wurde bald klar, dass die Chancen dafür gering waren. Stattdessen schickte sie ihm noch einmal eine kurze Nachricht und surfte dann auf die Seite der Deutschen Bahn.
Eliza hatte ihr beim Essen von ihrem Gespräch mit Torben erzählt. »Irgendwo am Meer«, murmelte Rica und klickte sich ziellos durch die verschiedenen Hafenstädte in Norddeutschland. Sie kannte sich nicht besonders gut aus und hätte nicht gedacht, wie viel Meer es in Deutschland überhaupt gab. Da würden sie ja nie auf gut Glück fündig werden. Wenn sich das Institut denn tatsächlich in Deutschland befand, hieß das. Auch das war ja nicht garantiert.
Nathan ist irgendwo dort oben , dachte Rica und spürte, wie sich ihr Magen unangenehm zusammenzog. Die Facebook- und Forumsgeschichte war ja schön und gut, aber irgendwie hatte sie das Gefühl, noch nicht genug getan zu haben. Sie konnte den Gedanken nicht abschütteln, dass Zeit kostbar war. Wieder klickte sie verschiedene Hafenstädte an. Nun gut. Vielleicht war es an der Zeit, etwas zu unternehmen, auch wenn es vollkommen sinnfrei war.
Mit raschen Fingern gab sie einen Zielbahnhof ein – Hamburg Hauptbahnhof – und wählte als Reisetag Freitagnachmittag. Danach gab sie weitere Bestellungen ein. Sie knobelte eine Route am Meer entlang aus, die sich über das ganze Wochenende hinzog und an jedem Bahnhof wenigstens einige Stunden Aufenthalt beinhaltete. Dann druckte sie die Verbindungszeiten aus und studierte sie sorgfältig.
Das Ganze war Wahnsinn. Wenn sie nicht gerade über das Institut stolperte, brachte diese Tour ihr überhaupt nichts. Und die Wahrscheinlichkeit dafür war verschwindend gering. Sie hatte einfach nicht genug Zeit, und das Institut würde nicht an den Bahnhöfen ausgeschildert sein. Außerdem musste sie sich aus dem Haus schleichen, und wenn sie zurückkam, hatte sie vermutlich für den Rest ihres Lebens Zimmerarrest.
Es war vollkommen bescheuert, das durchzuziehen.
Rica kehrte an den Rechner zurück und buchte eine Fahrkarte nach Hamburg. In Gedanken dankte sie ihrer Mutter dafür, dass sie ihr ein eigenes Konto eingerichtet hatte, von dem aus sie die Fahrkarte ganz einfach online bestellen konnte. Sie wartete auf die Bestätigung, druckte die Karte aus – und stand dann erst einmal eine Minute lang vollkommen still mit der Karte in der Hand vor dem Drucker.
Donaueschingen – Hamburg. Eine Person. Für Freitag.
Sie schüttelte den Kopf. Sie musste den Verstand verloren haben. Aber jetzt gab es kein Zurück mehr. Sorgfältig faltete sie Karte und Verbindungen zusammen und steckte sie ein. Sie musste mit Eliza reden. Wenn sie mitkommen wollte, konnte Rica ihr auch eine Karte besorgen. Sie hoffte sehr, dass Eliza sich beteiligen würde. Ihr drehte sich jetzt schon der Magen um,
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