Optimum - Purpurnes Wasser (German Edition)
kennenlernen, glaub mir.« Er lächelte immer noch breit und freundlich, aber wie zuvor erreichte es seine Augen nicht.
»Das ist Erpressung«, flüsterte Rica.
»Mag sein. Aber du wirst tun, was wir dir sagen, oder du musst sehen, wo du bleibst. Nicht alle Angestellten des Instituts sind so geduldig wie ich.«
Rica starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Hatte er da gerade eine Morddrohung ausgesprochen? Würden sie wirklich so weit gehen? Sie musste an Andrea denken.
»Verstehen wir uns?«, fragte Herr Wolf. »Keine weiteren Nachforschungen, oder du bringst nicht nur dich in Gefahr, sondern deine Freunde und Verwandten gleich mit.«
Rica kaute auf ihrer Unterlippe herum und brachte ein zögerndes Nicken zustande.
»Gut«, meinte der Mann. »Dann wünsche ich dir noch eine schöne Zeit hier.« Er drängte sich an Rica vorbei durch die Zimmertür und ließ sie allein zurück. Rica blieb einfach stehen, und starrte das Bett an, auf dem er gesessen hatte. Sie wünschte sich, sie könne seine Anwesenheit einfach vergessen, aber es war, als hätte er ein Stück seiner Selbst im Raum zurückgelassen, das nun Rica über die Schulter blickte und flüsterte: »Du wirst nichts mehr unternehmen, sonst …«
Sie musste ihre Freunde warnen. Sogar ihre Mutter, wenn sie sich das genau überlegte. Sie alle waren in Gefahr. Denn Rica hatte nicht die geringste Absicht, einfach aufzugeben. Kurzerhand ließ sie sich aufs Bett fallen und zog ihr Handy aus der Schultasche. Sie hätte Elizas Nummer im Schlaf aufsagen können.
Niemand nahm ab. Rica ließ es klingeln, bis die Mailbox dranging, und hinterließ Eliza dann eine kurze Nachricht. Seltsam. Eliza war den ganzen Tag schon nicht ans Telefon gegangen. Als sie gerade ihre Mutter anrufen wollte, klingelte es. Sie warf einen Blick auf das Display, die Nummer darauf war ihr vollkommen unbekannt. Neugierig drückte sie die Taste und hob das Handy zum Ohr.
»Du wirst deine Freundin unter dieser Nummer nicht mehr erreichen«, sagte Andreas Stimme.
Ricas Hand begann zu zittern.
»Andrea«, wisperte sie, kaum laut genug, dass es am anderen Ende zu hören sein konnte.
Aber Andrea verstand sie trotzdem.
»Schön, dass du mich wiedererkennst«, sagte sie leise. »Ich würde ja gerne noch ein bisschen plaudern, aber ich habe zu tun.« Damit legte sie auf.
Rica starrte ihr Display an und versuchte, wenigstens einen einzigen klaren Gedanken zu fassen. Aber sie alle schienen sich in ihrem Kopf zu überschlagen.
»Andrea«, wiederholte sie tonlos. Sie war versucht, Elizas Nummer noch einmal zu wählen, aber gleichzeitig sträubte sich alles in ihr dagegen. Was, wenn sie wieder Andrea an der Leitung hatte?
Ricas Finger zitterten immer noch, als sie das Handy zusammenklappte und in ihre Tasche schob. Dann blickte sie sich in dem immer dämmriger werdenden Zimmer um. Der Schreibtisch war nur noch schemenhaft zu erkennen, und auf einmal hatte die Dunkelheit etwas seltsam Bedrohliches.
Mit steifen Beinen erhob sie sich von der Bettkante. Eliza. Was ist mit Eliza? In ihr breitete sich eine seltsame Kälte aus, die alle Gefühle abzutöten schien, außer der Angst. Rica dachte daran, wie sie den ganzen Tag über versucht hatte, Eliza zu erreichen, aber niemand an den Apparat gegangen war. Was war mit ihr geschehen? Wie passte Andrea da rein? Ob Andrea Eliza beseitigt hatte? So, wie sie damals auch Jo beseitigt hatte, als diese zu viele Fragen gestellt hatte? Oder war es Eliza gewesen, die sich mit Informationen über Rica an Andrea gewandt hatte? Schließlich hatte sie Rica erzählt, dass sie Kontakt zu ihr hergestellt hatten. Wenn sie nun schwach geworden war? Wenn sie Rica und Nathan gegen ein bisschen Sicherheit eingetauscht hatte?
Nein. Das würde Eliza niemals tun. Rica versuchte, den Gedanken beiseite zu schieben, aber sie konnte nicht anders: Ein kleiner, nagender Zweifel blieb in ihr zurück.
Rica begann, im dämmrigen Zimmer auf und ab zu gehen. Sie konnte einfach nicht ruhig stehen bleiben, irgendetwas trieb sie vorwärts. Hin und her. Hin und her. Sie werden Eliza nichts tun. Sie ist eine von ihren Versuchspersonen.
Ja klar. Jo war das auch. Andrea hat sich schon einmal über den Willen des Instituts hinweggesetzt. Was sollte sie daran hindern, es ein zweites Mal zu tun?
Hin und zurück. Hin und zurück. Die Kälte breitete sich immer weiter in Ricas Körper aus. Sie konnte ihre Fingerspitzen nicht mehr richtig spüren. Hin und zurück. Hin und zurück.
Eliza.
Wenn sie
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