Optimum - Purpurnes Wasser (German Edition)
nur wüsste, was sie Eliza angetan hatten. Rica versuchte, darüber nachzudenken, aber sobald ihre Gedanken dem auch nur nahe kamen, sah sie Eliza vor sich, wie sie blutend in einem Meer von Blütenblättern lag. Rica konnte die gebrochenen Augen sehen, wie sie in den Himmel starrten.
Hin und zurück.
Nein, Eliza ist nicht tot. Warum sollte sie tot sein?
Sie konnte einfach keinen klaren Gedanken fassen. Vielleicht nie wieder. Es fühlte sich an, als hätte sich ein Bienenschwarm in ihrem Kopf eingenistet.
Wenn sie nicht tot ist, wie viel hat sie ihnen dann verraten?
Hin und zurück.
Ihr Handy klingelte. Rica fuhr zusammen. Der Laut kam so plötzlich und unerwartet, dass sie ihn zunächst überhaupt nicht einordnen konnte. Ihre Finger fühlten sich immer noch taub und ungeschickt an, als sie das Handy aus ihrer Hosentasche fischte und aufklappte.
»Rica!«
Rica blinzelte und versuchte, die Stimme am anderen Ende einzuordnen. Es dauerte eine ganze Weile, bis ihr das gelang.
»Robin«, flüsterte sie und merkte, wie die Tränen in ihr aufstiegen. Ihre Kehle wurde eng, und sie musste sich anstrengen, überhaupt etwas heraus zu bekommen. »Eliza. Sie …«
»Sie haben sie abgeholt.« Robins Stimme war nur ein heiseres Flüstern. Im Hintergrund konnte Rica das Lachen und das Geschrei von jüngeren Kindern vernehmen. »Gerade eben.«
Obwohl Rica ihn nicht sehen konnte, wusste sie, dass Robin so weiß wie eine Wand war. Eine seiner größten Ängste, so hatte er ihr einmal gesagt, war, dass das Institut ihn abholen würde.
»Hast du sie gesehen?« Ihre Stimme zitterte schon bei den wenigen Wörtern.
Robin räusperte sich und musste sich offensichtlich sammeln, bevor er antwortete. »Ich war unten bei Andreas Haus, weil Celina gesagt hat, sie hätte gesehen, dass Eliza dorthin gegangen ist. Im Hof stand ein schwarzes Auto. Du weißt schon, was für eins.« Er lachte nervös. »Sie haben Eliza aus dem Haus getragen. Auf einer Bahre. Und Andrea ist hinterher gegangen, frech wie nur noch was. Ich dachte, ich traue meinen Augen nicht. Sie ist auch ins Auto gestiegen. Dann sind sie weggefahren.«
Rica wusste nicht, ob sie erleichtert sein sollte. Immerhin – Eliza war nicht freiwillig mit ihnen gegangen. Rica merkte, wie diese Erkenntnis sie ein wenig ruhiger machte. Dass Andrea es geschafft hatte, wieder in die Gunst des Instituts zu gelangen, war schlimm genug.
»Rica!« Robins Stimme kling dringlich.
»Was?«
»Du musst verschwinden. Am besten sofort. Bevor Eliza erzählt, was du alles unternommen hast.«
Rica konnte gerade noch ein hysterisches Lachen unterdrücken. »Das wissen sie ohnehin alles. Ich hatte auch Besuch heute.«
Robin machte eine überraschte Pause. Dann jedoch klang seine Stimme noch beunruhigter. »Bitte, Rica! Bitte geh weg aus diesem Heim! Wenn sie dir etwas tun wollen, dann bist du dort so eingesperrt wie eine Katze im Sack. Kannst du nicht zu den Leuten gehen, von denen wir geredet haben?«
Rica schluckte. Alles in ihr schrie ohnehin danach, zu fliehen. Weit weg, irgendwohin, wo sie in Sicherheit war. Robin hatte recht, im Moment wussten sie genau, wo Rica war, und so lange sie hier war, konnte auch dieses grässliche kleine Mädchen ausplaudern, was sie so tat. Andererseits gab es hier solche Leute wie Ute, die ihr helfen wollten.
Oder wollten sie das überhaupt? War es nicht vielleicht wieder einer der Tricks vom Institut, um Rica mehr zu entlocken?
»Ich weiß nicht …«, begann sie.
»Bitte geh weg! Ich komme so schnell wie möglich nach, und dann sehen wir, was wir tun können.« Robin schluckte. »Ich will nicht, dass du verschwindest. Und ich will bei dir sein!«
Rica stiegen schon wieder die Tränen in die Augen. »Ich will auch bei dir sein«, sagte sie. »Ich gehe … zu den Leuten, von denen wir gesprochen haben.« Gerade noch rechtzeitig gelang es ihr, die Formulierung: »Zu deinen Freunden«, herunterzuschlucken. Kein Grund, irgendjemandem noch mehr Anhaltspunkte zu geben. »Wann bist du da?«
Robin zögerte. »In zwei Stunden«, sagte er dann, dieses Mal selbstsicher. »Dann ist hier Sperrstunde, und ich kann mich herausschleichen, ohne dass es jemand mitbekommt.«
»Ich warte auf dich«, flüsterte Rica und legte auf. Gleich darauf hätte sie sich am liebsten geohrfeigt. Konnte sie ihrem Freund denn nicht wenigstens irgendwas Nettes zum Abschied sagen? Na ja, sie würde das wieder gutmachen, wenn sie sich in zwei Stunden sahen.
Sie sah sich im Zimmer um. Viel
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