Optimum - Purpurnes Wasser (German Edition)
sich da raushalten sollte, auch wenn er sie gerettet hatte. Auch wenn er ein bisschen stolz auf sie war. Sollte er ruhig der Meinung sein, dass sie ihm auf den Leim gegangen war. Er konnte sie nicht daran hindern, weiterzumachen.
Rica hob die Nase und schnupperte begeistert den Bratwurstduft. Ihr Bauch zog sich vor Hunger zusammen. »Und was sollen wir jetzt machen? Robin und ich, meine ich? Nach Hause können wir ja wohl kaum gehen, ohne dass sie uns wieder einschüchtern werden.«
Wenn ihr Vater den sarkastischen Unterton in ihrer Stimme überhaupt bemerkte, ignorierte er ihn. »Ihr bleibt hier«, sagte er. »Dieses Haus ist sicher. Niemand weiß etwas davon. Morgen mache ich mich wieder auf den Weg, und es kann höchstens noch ein paar Tage dauern, bis ich alles, was es über das Institut zu finden gibt, herausgebracht habe. Dann noch ein, zwei Tage für die Presse, und danach werden sie unter solchem Beschuss stehen, dass sie nicht mehr einfach so gegen euch vorgehen können. Dann könnt ihr wieder nach Hause.« Er grinste. »Seht es als Urlaub. Ich habe den Kühlschrank gefüllt, und ich kann euch auch ein bisschen Geld dalassen. Wenn ihr euch nicht allzu auffällig benehmt, könnt ihr hier im Ort shoppen gehen oder Ausflüge machen, was immer ihr wollt. Ihr seid nicht mehr in Gefahr.«
»Und wenn das alles vorbei ist, kommst du dann auch wieder nach Hause?« Der Satz war Rica herausgerutscht, bevor sie ihn zurückhalten konnte. Jetzt ertappte sie sich dabei, dass sie ihren Vater mit beinah sehnsüchtigem Gesichtsausdruck musterte. Schnell versuchte sie, ihre Züge wieder unter Kontrolle zu bekommen.
Ihr Vater seufzte. »Ich weiß nicht, ob deine Mutter mich noch zurückwill«, sagte er und wendete die Bratwürste in der Pfanne. »Oder du.«
»Ach Quatsch, immerhin hat sich Ma auf die Suche nach dir gemacht«, erwiderte Rica. »Oder zumindest nach deinem Geheimnis. Und sie hat nie ein schlechtes Wort über dich gesagt, wenn man mal davon absieht, dass sie uns ständig vergleicht, wenn ich mal wieder Unsinn gemacht habe.«
Ricas Vater lachte. Es war ein warmer, ehrlicher Laut, der Rica zum ersten Mal das Gefühl gab, dass dieser fremde Mann wirklich zu ihrer Familie gehörte. Fast so, als könne sie sich an dieses Lachen erinnern. Sie konnte nicht anders, als ebenfalls zu lachen. Für einen Moment waren sie eine Familie.
»Ich mache natürlich nie Unsinn«, meinte ihr Vater und grinste. Er stellte zwei Teller auf den Tisch, trug die Pfanne herüber und lud einen Haufen Bratwürste auf Ricas Teller ab. »Außer, wenn ich was Komplizierteres kochen muss als Bratwurst und Tomatensalat. Ich hoffe, ihr könnt mit den Vorräten hier was anfangen.«
Rica verzog übertrieben das Gesicht. »Robin wird kochen müssen«, meinte sie, und wieder mussten sie beide lachen. Doch dieses Mal schwang das warme Gefühl schon nicht mehr ganz so stark mit. Rica wusste, dass sie ihren Vater betrügen und nicht hierbleiben würde. Und darum fühlte sich die ganze Sache ein wenig falsch an. Sie aßen schweigend, und als Ricas Vater ihr danach den Weg zu einem weiteren winzigen Schlafraum zeigte, folgte sie ohne zu zögern. Zu ihrer Überraschung fand sie eine gepackte Reisetasche mit Klamotten darin vor. Alles halbwegs in ihrer Größe und halbwegs geschmackvoll.
»Du wusstest, dass wir hierher kommen würden?«, murmelte sie und zog etwas peinlich berührt einen Pyjama aus der Tasche. Er war neu, und das Preisschild baumelte noch vom Kragen.
»Sagen wir: Ich hatte eine starke Vermutung. Und meine starken Vermutungen bewahrheiten sich meistens.«
»Der Kram muss einiges gekostet haben«, meinte Rica. Ganz zu schweigen davon, dass es irgendwie oberpeinlich ist, wenn der eigene Vater für einen Unterwäsche kaufen muss. Jedenfalls, wenn man älter ist als fünf.
Ihr Vater zuckte die Schultern. »Ich hab dir fünfzehn Jahre lang keine Klamotten gekauft. Sieh es als … Rückzahlung. Außerdem habe ich Robin natürlich auch versorgt.« Er grinste. »Ich kann doch nicht zulassen, dass der Freund meiner Tochter aussieht wie ein Penner.«
»Misch dich nicht ein!«, knurrte Rica, und einmal mehr war da wieder das Gefühl, eine normale Familie zu sein. Einfach nur eine normale Unterhaltung zwischen Vater und Tochter zu führen.
»Tut mir leid, Einmischen liegt bei uns in der Familie«, meinte ihr Vater. »Gute Nacht übrigens.« Er ging zur Tür, drehte sich aber im Türrahmen demonstrativ noch einmal um. »Noch etwas: Halte dich
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