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Opus 01 - Das verbotene Buch

Titel: Opus 01 - Das verbotene Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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plötzlichen Stille hörte Amos, dass Skythis oben in die Stube zurückgekehrt sein musste – eilends stampfte er zwischen den Trümmern umher und dabei stieß er bellende Laute hervor, die ungefähr wie »Ich krieg dich!« klangen.
10
    H
ier unten im Tunnel
war es fast so finster wie in einem Grab. Nur zwei dünne Streifen Licht fielen durch die Spalte in den Schacht hinein. So behutsam wie nur möglich, um dem Mechanismus kein weiteres Quietschen zu entlocken, trat Amos von der Bodenplatte herunter, auf der er in die Tiefe gefahren war. Auf Zehenspitzen bewegte er sich weiter in den Felsentunnel und schon nach wenigen Schritten umgab ihn tiefe Dunkelheit. Mit Händen und Füßen tastete er vor sich herum, aus Sorge, dass Kronus im Finstern liegen und er versehentlich auf ihn treten könnte. Dochder Tunnel enthielt anscheinend nichts als kühle, modrig feuchte Luft.
    Amos beschleunigte seine Schritte, soweit dies im Dunkeln möglich war. Mit jedem Schritt wurde es kühler und stiller. Bald schon hörte er nur noch den Widerhall seiner Sohlen auf dem Felsboden und seinen eigenen Atem. Sofern der Bücherjäger sich noch immer dort oben herumtrieb, schien er das Bodenloch unter dem Pult nicht bemerkt zu haben – jedenfalls bis jetzt.
    Der Geheimgang war viel länger als in Amos’ Erinnerung. Längst musste er doch Hof und Stall – oder das, was von dem Holzbau übrig war – hinter sich gelassen haben. Danach führte der Tunnel unter dem Gründleinsbach hindurch – jedenfalls hatte Kronus das behauptet und ihm zum Beweis die Tropfen gezeigt, die dort an den Wänden des Tunnels hinabrannen.
    Er tastete über die Wände und spürte schimmlige Nässe unter seinen Fingern. Auch der Boden fühlte sich hier glitschig feucht an, wie mit Schlamm und Moos überzogen. Also war doch alles, wie es sein sollte. Und ganz da vorne erblickte er nun auch einen blassen Lichtfleck, der mit jedem Schritt heller und größer wurde. Das musste der Ausstieg sein, den Kronus ihm damals gezeigt hatte – ein senkrechter Felsschacht mit einer einfachen Knotenleiter darin, der im Wald jenseits der Pferdeweide zurück an die Erdoberfläche führte.
    Weit hinter ihm im Felsgang erschallte ein dumpfer Schlag. Im nächsten Moment begann der Mechanismus, der die Falltür hob und senkte, zu kreischen. Amos fuhr zusammen. Das konnte nur eines bedeuten: Der Bücherjäger hatte die Luke gefunden und war in den Tunnel hinabgesprungen.
    Er begann zu rennen. Der Lichtfleck vor ihm wuchs und wurde zu einer Säule aus mattem Taglicht. Ein Seil mit Knoten, die als Stufen dienten, hing inmitten der Lichtsäule hinab, und ohne auch nur einen Blick nach hinten zu werfen, sprang Amos mit aller Kraft in die Höhe, packte das Seil und kletterte so schnell er konnte an der Strickleiter empor. Knoten um Knoten klomm ernach oben, und dabei legte er immer wieder den Kopf zurück, um abzuschätzen, wie weit er noch zu klettern hatte. Die Schachtmündung oben wurde offenbar durch eine Eisenplatte verschlossen, die unzählige Rostlöcher aufwies.
    Höchstens noch zehn Fuß oder ebenso viele Knoten trennten ihn vom Ausstieg, als er den Bücherjäger durch den Tunnel herbeistampfen hörte. Jetzt aber fühlte sich Amos längst nicht mehr so hilflos ausgeliefert wie vorhin, als Skythis in Kronus’ Stube aufgetaucht war. Mit Schwert und Lanze oder auch beim Ringen war er gewiss kein guter Kämpfer, aber wenn es ums Klettern und Rennen ging, machte ihm so schnell keiner was vor. Außerdem hatte er mittlerweile das Bündel entdeckt, das in einer Felsnische wenige Fuß unter dem Ausstieg lag, und er spürte sofort, dass es für ihn bestimmt sein musste.
    Sein Atem ging nicht sehr viel schneller als gewöhnlich, als er die Nische erreicht hatte. Mit einer Hand ergriff er das offenbar wohlgefüllte Bündel, warf es sich über die Schulter und wollte gleich weiterklettern. Doch dann entdeckte er das Buch.
    Es hatte unter dem Bündel auf dem Felssims gelegen, und im ersten Moment hatte Amos gar nicht erkannt, dass es sich um ein Buch handelte. Ein kleines Tier, hatte er gedacht, mit glänzend schwarzem Fell, von dem nur die flache Schnauze zu sehen war und eine Reihe schimmernd weißer Zähne.
    Doch als er danach griff, wusste er sogleich, dass es nicht irgendein Schriftstück war – sondern
Das Buch
, wie Kronus sein Lebenswerk manchmal einfach genannt hatte. Es war ein schmaler Band, in weiches, glänzend schwarzes Leder gebunden, das wie gebürstetes Kaninchenfell aussah.

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