Opus 01 - Das verbotene Buch
die Ungeduld, die den Unterzensor erfüllten. »Es ergibt keinen Sinn, Cellari, bis morgen zu warten«, rief Skythis aus und knallte seinen Bierkrug auf den Tisch. »Seht Ihr nicht die Gefahr, dass der Satan die Falle riecht und mitsamt seinem Buch die Flucht ergreift?«
Leo Cellari lächelte sinnend. »Ihr seid ein Mystiker, Skythis – ein Büchermystiker, genauer gesagt. Wenn Ihr nur der dämonischen Schriften habhaft werden könnt, so glaubt Ihr, wäre das Wichtigste getan.«
»Der Bücher – und der Verfasser«, knurrte Skythis. »Für die einen bin ich zuständig, für die anderen Ihr.« Als Einziger am Tisch hatte er seinen Teller bereits geleert, sein Messer an einem Rest Brotrinde blank geputzt und in den Gürtel zurückgeschoben. Er war offensichtlich bereit zum sofortigen Aufbruch.
»Ihr meint – die Satansbücher gebt Ihr ins Feuer, die teuflischen Autoren ich?« Cellari legte den Kopf zurück und lachte perlend. »Und damit, so glaubt Ihr, hätten wir unsere Pflicht mehr als gründlich erfüllt?« Seine braunen Augen funkelten, als ob ihm tatsächlich Bernsteinkugeln vorn im Schädel steckten. »Dann lasst Euch eines in Erinnerung rufen«, fuhr er fort, »Kronus allein hätte jenes Teufelsbuch niemals erschaffen können. Und eben deshalb reicht es bei Weitem nicht, wenn wir lediglich ihn selbst und sein Manuskript vernichten. Die Loge würde einen anderen finden, der das Satanswerk für sie erneuert.«
»Ihr meint das Opus Spiritus.« Skythis sah grimmig auf seine Hände hinab und ballte sie dann rasch zu Fäusten, als wäre auch ihm der Anblick seiner Maulwurfspranken unbehaglich. »Jenen geheimnisvollen Orden, an dessen Vorhandensein selbst Eure eigenen Oberen zweifeln.«
»In der Tat, so wie auch Ihr.« Cellaris Lächeln wurde strahlend. »Doch was meint Ihr, Freund, wenn wir hier und heute einen der Hintermänner des Opus Spiritus dingfest machen könnten – würdet Ihr dann weiter zweifeln?«
Skythis biss die Zähne zusammen, dass es knirschte. »Hier und heute«, stieß er hervor, »wie soll das gehen?«
Es war ein Für und Wider wie auf der Theaterbühne und Cellari genoss es offenbar sehr. Die Offiziere hingen an seinen Lippen, ihre Federbüsche schwangen im Takt der Rede und Gegenrede hin und her. Zuweilen warf der Inquisitor seinen Gehilfen einen raschen Blick zu – ganz so, als ob sie in seine Pläne längst eingeweiht wären.
Wenn Gregor hier wäre, dachte Hannes, dann würde der Einohrige wohl nicht nur dem Hauptmann mit dem Narben-X an die Gurgel gehen – sondern womöglich vorher noch dem hochnäsigen Kirchenmann, der nun mit ausgestrecktem Arm zum Palas hin deutete. »Ihr habt Euch doch gewiss auch schon gefragt, Freund, weshalb sich Valentin Kronus gerade hier verborgen hat, auf einem Pachthof des Ritters von Hohenstein?«
»Nun, damit hat es nichts weiter auf sich«, knurrte der Unterzensor. »Einen abgeschiedeneren Ort hätte er so leicht nicht finden können. Und der Ritter ist ein Mann, der keine Fragen stellt, solange er seinen Pachtzins erhält.«
Cellari sah ihn mit gespieltem Erstaunen an. »Der Ritter, sagt Ihr – ah, ich verstehe, Freund: Ihr sprecht vom Sohn, ich dagegen rede vom Vater. Denn als Valentin Kronus vor dreißig Jahren kam, da saß hier oben auf der Burg noch der alte Kasimir von Hohenstein. Ein gebildeter Mann, der mit Äbten und Fürsten, Künstlern und Gelehrten in reger Verbindung stand. Als Ritter Kasimir vor bald zwanzig Jahren starb, ist dem wüsten Heribert das Vaterserbe und damit auch der Mühlhof mitsamt Pächter zugefallen. Dabei kam Ferdinand, der jüngere Sohn, weit mehr nach dem kunstsinnigen Vater. Aber der sanfte Ferdinand wurde mit einem Gutshof abgefunden und hatte auch sonst wenig Glück im Leben: Wennmich mein Gedächtnis nicht im Stich lässt«, geziert fasste er sich an die Schläfe, »wurden Ferdinand und seine arme Gemahlin in ihrem eigenen Haus umgebracht. Der Mord wurde bis heute nicht gesühnt, und noch immer lässt der brave Amtmann Rabensteiner in den Wäldern nach Vogelfreien suchen, die er für die Bluttat verantwortlich machen kann. Aber vielleicht sollte er besser einmal an einem anderen Ort suchen?«
Der Inquisitor schaute sich demonstrativ nach allen Seiten um. Er verdrehte den Kopf nach links und rechts und sah sogar unter den Tisch, als ob sich dort die Mordbrenner versteckt hielten. »Was meint Ihr dazu, Skythis?«
Die Federbüsche wogten hin und her. Mit sinnendem Lächeln wartete Cellari auf eine Antwort
Weitere Kostenlose Bücher