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OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger

Titel: OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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ja, mein Auserwählter.« Sie lächelte, und auch das hell glänzende Grün ihrer Augen verriet, wie sehr ihr diese heilige Heidenstätte gefiel.
    Er klopfte auf sein Gewand oder, besser gesagt, auf das schwarze Wams des Maurerlehrlings Kupferschuh – es wölbte sich über dem
Buch der Geister
, das er rasch noch zu sich gesteckt hatte, ehe er Trithemius und Klara hinterhergeklettert war.
    »Schau nur, Amos.« Sie deutete auf einige halb verblasste Zeichen an der Felswand. »Erkennst du sie wieder? Die Zeichen von Rogár.« Sie nahm ihn bei der Hand und zog ihn auf das Wandstück mit den kohlschwarz und blutrot aufgemalten Zeichen zu. »
Llóma – fárá – móhagár
«, hörte er sie murmeln.
    Auch Amos spürte nun den Zauber, der von dieser Heidenstätte ausging. Die Wände waren mit unleserlichen Zeichen übersät, die teilweise hingestrichelten Bildern ähnelten. Eine dieser Zeichnungen stellte ein riesenhaftes Tier mit zottigem Fell und gewaltigen Stoßzähnen dar – und dieser Urstier, oder was es sein mochte, tanzte! Ein weiteres Bild zeigte einen Zauberpriester in langem Gewand, auf dem Kopf einen Hut, wie ihn auch die Priester von Rogár getragen hatten – mit breiter Krempe und oben spitz zulaufend wie ein Muschelhorn. Der Priester hielt seine Arme weit vorgestreckt, die Hände halb geöffnet und nach oben gekehrt. Durch die Baumwipfel über ihm fiel Sonnenlicht in dicken Strahlen und jeder dieser Strahlen war mit einem Finger des Zauberpriesters verbunden – so als ob er das Sonnenlicht durch seine Fingerspitzen in sich hineinlenken könnte. SeineAugen waren zu Schlitzen zusammengezogen, und Licht brach daraus hervor, gleißend gelb wie die Sonnenstrahlen.
    »In den alten Zeiten besaßen die Zauberpriester große Macht«, sagte Trithemius, der ihnen wie ein Schatten durch die Höhle folgte. »Sie wurden wie Heilige, ja wie Halbgötter verehrt. Sie allein kannten die magischen Zeichen, mit denen man die Geister herbeirufen konnte. Sie ritzten Schutzzeichen in Türschwellen und Abwehrzeichen in Schilde. Sie malten Genesungsrunen auf die Stirnen der Kranken und Verwundeten. Sie pflügten die Zeichen der Fruchtbarkeit in die dürren Äcker. Sie warfen das Orakel mit Buchenstäben, die mit magischen Zeichen beschriftet waren: »Geheimnis«, »Wagnis«, »Ziel«. So konnten sie jede erdenkliche Schwierigkeit oder Gefahr voraussehen, vermeiden oder im Handumdrehen beheben. Wessen Tür durch die Zeichen der Zauberpriester geschützt war, der musste sich niemals mehr vor ungebetenen Besuchern fürchten. Die Regenrune, auf rechte Weise in die Felder gepflügt, sprengte den Himmel auf und zwang ihn, das kostbare Nass herauszugeben. Gegen jede Not, jede Drohung gab es ein Zauberzeichen, das die hilfreichsten Geister herbeirief. Wer unter der Verfolgung durch seine Feinde litt, wandte sich gleichfalls an die alten Schriftmagier – hier seht ihr, wie die Geister ihm halfen.«
    Trithemius deutete auf eine weitere Zeichnung an der Felswand. Sie zeigte einen Mann mit struppigem Bart, der auf einer karg bewachsenen Ebene dahinwanderte. Er trug ein langes Gewand und einen Fellüberwurf um die Schultern, und seine einzige Waffe war ein Knotenstock, auf den er sich beim Wandern stützte. Der Mann war umringt von unzähligen Feinden, die allesamt bis an die Zähne bewaffnet waren. Sie schossen Pfeile auf ihn ab, hetzten ihre Hunde auf ihn, schleuderten ihre Speere gegen ihn, warfen brennende Fackeln und kindskopfgroße Steinbrocken nach ihm – doch der Mann lächelte nur vor sich hin und bekümmerte sich nicht weiter um seine Umgebung. Er schien von einer unsichtbaren Glocke umgeben, einem umgestülpten Kelchaus unzerbrechlichem Kristall. Die Hunde schlugen sich ihre Schnauzen wund an diesem Schirm, die Pfeile zerknickten, die Steine prallten ab und die Speere blieben darin stecken, und mitten im Getümmel ging der Mann lächelnd seines Weges.
    »Achtet auf seinen Knotenstock«, sagte der Abt, »diese Zeichen boten dem Wanderer unüberwindlichen Schutz.« Er deutete auf eine Reihe von Zeichen, die so eckig wirkten, als ob sie tatsächlich aus Holzstäben gelegt worden wären. »Die alten Heidenpriester waren sicherlich keine allzu großen Künstler«, fuhr Trithemius fort und zeigte nun auf einige Stellen des Höhlengemäldes, die besonders schlecht gelungen waren. »Aber sie waren mächtige Schriftmagier und allein darauf kam es ja schließlich an.«
    Gebannt betrachtete Amos das Gemälde und die Zeichen auf dem Stock

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