OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger
Moment, als er neben Klara auf dem Querbalken kauerte und zu dem schwarzen Hengst hinunterschaute.
Es war wirklich ein prachtvolles Pferd, mit mächtigen Flanken und schimmernd schwarzem Fell. Und vor allem sah es ganz genau so aus wie der wackere Rappe von Laurentius Answer.
Klara lächelte Amos an und er lächelte zurück. Mit großen Augen nickten sie einander zu, dann ließen sie sich genau gleichzeitig von dem Balken auf die Rücken ihrer Pferde hinab. Die Füchsin begrüßte Klara mit leisem Schnauben, der Rappe aber gab ein lautes Wiehern von sich. Es klang nicht erschrocken oder zornig, sondern freudig – aber es war so laut, dass mit einem Schlag der ganze Stall aus dem Schlaf fuhr. Zwei Dutzend Pferde schnaubten und wieherten. Vorn beim Eingang rappelten sichzwei der länglichen Bündel aus dem Stroh auf, und jemand schrie: »Wer da?«
Amos und Klara hatten derweil ihre Pferde rückwärts aus den Verschlägen manövriert und ritten durch den schmalen Mittelgang auf die Stalltür zu, Klara mit der Füchsin voraus. Die beiden Purpurkrieger glotzten ihnen ungläubig entgegen. Einer von ihnen riss sein Schwert heraus, der zweite zündete eine Laterne an und reckte sie empor – so als ob sie ein Traumspuk wären, der bei genügender Beleuchtung verschwinden würde.
»Stehen bleiben!«, schnauzte der Soldat, der sein Schwert gezückt hatte. »Wer seid ihr? Wie kommt ihr hierher?« Breitbeinig stand er vor der Tür. Zu seiner Rechten bemerkte Amos einige übereinander gestapelte Truhen, die mit Eisen beschlagen und mit gewaltigen Schlössern gesichert waren. Auf der Vorderseite jeder Truhe prangte das Wappen des Inquisitors – und daneben, kaum kleiner, ein schaurig grinsender Totenkopf.
Was hatte das zu bedeuten?
»Absteigen – sofort!«, befahl der Soldat und schwang drohend sein Schwert in Klaras Richtung.
»Ich will dir sagen, wer diese Früchtchen sind«, verkündete der zweite Purpurkrieger. »Das müssen die beiden kleinen Bücherteufel sein – du weißt schon!« Er bückte sich und stellte die Laterne auf dem Boden ab.
»Obacht!«, zischte sein Kamerad. »Denk an das Pulver!« Er deutete mit dem Kopf zu den Truhen hin, und da wurde Amos klar, was es mit dem Totenkopf auf sich hatte.
Er zog seine Augen zu schmalen Schlitzen zusammen und spähte in sein Innerstes hinein. An seinem inneren Himmel leuchtete sein magisches Herz, ein wenig blass und zittrig, aber es war nicht verglüht und verloren, wie er vorhin befürchtet hatte. Und ganz nah bei ihm leuchtete ein zweiter Stern, ebenso groß und strahlend, und ein breiter Lichtstrom verband ihrer beider magische Herzen.
Klara, hörst du mich? In den Truhen neben dem Soldaten istSchießpulver. Ein Schuss oder Funke – und hier fliegt alles in die Luft!
Wir warten, bis er die Laterne gelöscht hat, gab Klara zurück , dann reiten wir los.
Als ob er ihren Gedankenwortwechsel mitbekommen hätte, bückte sich der zweite Soldat abermals und löschte seine Laterne aus.
»Runter von den Rössern!«, befahl der Soldat mit dem Schwert aufs Neue.
Klara wandte sich zu Amos um und sah ihn eindringlich an. Ich reite ihn um – und dann nichts wie weg!
Ich bin bereit. Amos beugte sich vor und tätschelte seinem Rappen den Hals. Da bemerkte er, im verglimmenden Laternenlicht mehr zu erahnen als wirklich zu sehen, wie hinter den aufgetürmten Pulvertruhen ein Schatten hervorgetaumelt kam.
Klara!, presste die Gestalt hervor. Ich wusste, dass du gerade hierher kommen würdest!
Der erste Soldat wandte sich um und stieß die Tür auf. Das Mondlicht malte ein bleiches Lichtviereck auf den Boden – eben groß genug, um die beiden Soldaten und die jämmerlich magere Gestalt anzuleuchten, die hinter den Truhen hervorgekommen war.
Hohlwangig wie der leibhaftige Tod trat der ausgemergelte Kerl neben den Soldaten, der ihn von der Seite abschätzig ansah. Aber Hannes Mergelin schien ihn gar nicht zu bemerken. Er hatte für nichts und niemanden Augen – außer für Klara.
Verzeih mir , rief er mit tränenheiserer Gedankenstimme und schaute flehentlich zu ihr auf. Aber ich weiß ja, Klara – du kannst mir nicht verzeihen . Wie auch? Ich kann es ja selbst noch viel weniger!
Die beiden Soldaten starrten abwechselnd Klara und Hannes an. Anscheinend spürten sie, dass zwischen diesen beiden irgendetwas vorging.
Ach, du Armer . Klara lächelte ihn mitleidig an. Du kannst doch gar nichts dafür.
Oh doch , rief Hannes aus, ich allein bin daran schuld, dass Cellari
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