OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger
das Felsstück der Rückpartie eines Riesen mit rundem Kopf und stämmigem Nacken, der von den Schultern aufwärts aus dem Erdboden ragte – ähnlich wie Ritter Laurenz in der Geschichte
Vom Felsen, der ein Fenster war
.
Amos und Klara dankten dem alten Mann und wollten gleich zu Sarah hinübergehen, aber Bruder Egbert hielt sie noch zurück. »Das Wichtigste haben wir noch nicht besprochen«, sagte er und sah sie nacheinander eindringlich a n. Ich habe heute früh eine Botschaft von Abt Trithemius erhalten , fuhr er auf dem Gedankenweg fort. Ich weiß also, dass du letzte Nacht in Sponheim warst . Er lächelte Amos kurz zu. Und ich habe auch von den furchtbaren Dingen erfahren, die dort zur gleichen Zeit passiert sind. Einige Mitbrüder aus seinem eigenen Kloster haben Trithemius angeschwärzt und Cellari herbeigerufen .
Amos und Klara wechselten einen Blick. Unterwegs hatte er ihr vorhin in Gedankensprache erzählt, was er in der Nacht alles erlebt und gesehen hatte. Und Bruder Egbert hatte sich offenbar auf die gleiche Weise mit Trithemius ausgetauscht – allein schon durch diese Fähigkeit waren sie ihren Verfolgern gegenüber doch eigentlich im Vorteil. Aber trotzdem waren nach wie vor sie es, die von den Purpurkriegern wie wilde Tiere durchs Dickicht gehetzt wurden.
Wir leben in schlimmen Zeiten. Mit bekümmerter Miene schüttelte Egbert den Kopf. Im Namen Gottes werden die Leute aufgehetzt, ihre Nächsten als angebliche Ketzer, Zauberer oder Hexen zu verschreien. Aber was soll das für ein Gott sein, der durch seine Priester Hass, Todesangst und Zwietracht sät? Er fuhr sich mit der Hand über Stirn und Augen. Mein Gott ist das jedenfalls nicht , setzte er hinzu. Mein Gott ist friedliebend und fürsorglich und erbarmungsvoll.
Er tastete nach dem Holzkreuz vor seiner Brust. Aber was ich eigentlich sagen wollte – Abt Trithemius erwartet euch beide dringend im Schottenkloster zu Würzburg. Leo Cellari ist längst wieder wohlauf und auf dem Weg nach Nürnberg, wenngleich ihm der Kopf noch gehörig brummen dürfte. Aber er arbeitet zweifellos schon an seinem nächsten Angriffsplan. Und diesmal müssen wir ihm unbedingt zuvorkommen – denn wenn es Cellari gelingt, Trithemius zu verhaften, bevor der
Das Buch der Geister
in Sicherheit bringenkonnte, war alles umsonst. Mit ernster Miene sah er Amos und Klara an.
Was will er mit dem Buch denn eigentlich machen , fragte Amos, wenn wir es ihm gebracht haben?
Der alte Mann zuckte mit den Schultern. Amos spürte, wie Egbert neuerlich Angst überkam. »Ich weiß es nicht«, murmelte er und verfiel noch einmal in Gedankensprache. In die allertiefsten Dinge bin auch ich nicht eingeweiht. Ich habe euch alles gesagt, was ich weiß – und vielleicht mehr, als ich hätte sagen dürfen. Trithemius ist jedenfalls sehr zufrieden , fügte er an Amos gewandt hinzu. Mit dir und mit dem Buch, das die Gabe des magischen Fliegens so leicht und vollkommen in dir erweckt hat .
Er nickte Amos und Klara zu und hatte sich schon halb von ihnen abgewandt, als er nochmals innehielt. »Ach ja, das hätte ich nun wahrhaftig fast vergessen – der Wagen, der euch nach Würzburg bringen soll, kommt ungefähr in einer Stunde da drüben auf der Straße vorbei. Wir müssen uns also ein wenig sputen.«
Er deutete nach Osten – irgendwo dort jenseits des Waldes lag das Städtchen Pegnitz, vor dessen Toren Leander damals versucht hatte, Amos den Brief von Kronus zu klauen. Von Pegnitz aus führten Handelsstraßen in alle Richtungen – nach Süden gen Nürnberg ebenso wie nach Nordwesten in Richtung Würzburg.
»Was für ein Wagen denn?«, fragte Amos. Und beinahe gleichzeitig sagte Klara: »Ich fahre nicht mit.«
Erschrocken sah Amos sie an. Aber noch weit bestürzter schien Egbert zu sein. »Das geht nicht, Klara«, sagte er in beschwörendem Tonfall. »Du musst mit in diesen Wagen steigen und nach Würzburg fahren. Es sind ein Baumeister und seine Maurergesellen«, fügte er leiser hinzu, »sie sind eingeweiht und werden keine Fragen stellen. Ihr bekommt die gleichen Gewänder wie sie – schwarze Jacken und Hosen und Hüte. Jedermann wird euch für reisende Maurerlehrlinge halten.«
»Aber ich kann nicht«, sagte Klara. »Ich muss nach Nürnberg. Letzte Nacht habe ich eine Botschaft von Mutter Sophia erhalten– sie klang sterbenselend. Sie hat mich beschworen, so schnell wie irgend möglich zu ihr zu kommen. Ganz egal, wer etwas dagegen einwendet, hat sie gesagt – ich soll sie auf
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