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OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger

Titel: OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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Nächstes tun sollte. Er musste Klara und die anderen warnen. Aber er musste auch rechtzeitig vor den drei Reitern zurück im Wagen sein – und in seinem Körper, der hilf- und reglos wie der Leib eines Ohnmächtigen zwischen den Maurern lag. Mit dem
Buch der Geister
im Wams des Maurerlehrlings Andres Kupferschuh.
    Klara? Er schrie ihren Namen mit angstschriller Gedankenstimme und lauschte dann angespannt in sich hinein. Klara? Hörst du mich?
    Doch er erhielt keine Antwort.
    Er versuchte es nochmals und noch ein drittes Mal. Aber vergeblich.
    Da packte ihn eine solche Angst, dass er alles andere vergaß – Angst um Klara, Angst, dass die Purpurkrieger vor ihm bei Egberts Lager eintreffen würden. Dass er zu spät käme, dass Frater Meinolf schon wieder mit dem Dolch in der Hand von einem zum anderen tänzeln würde – aber nein, so weit durfte und würde es nicht kommen.
    Er stellte sich Klara vor, so genau er es irgend vermochte. Er malte sie vor sein inneres Auge, mit den Farben der Liebe und Sorge und Zärtlichkeit. Ihre schlanke Gestalt, ihr goldenes Haar, ihre Augen, die in allen Grünabstufungen leuchten und funkeln und sich beinahe schwarz eindunkeln konnten, wenn sie traurig oder zornig war. Er spürte, wie es um ihn herum aufs Neue zu sausen begann, und hielt das innere Bild von Klara mit aller Kraft fest. Im nächsten Moment riss es ihn wieder in die Lüfte empor, so atemberaubend schnell, als ob er ein Pfeil wäre, der von der zum Zerreißen gespannten Sehne schnellte. Lotrecht flog er in den Himmel hinauf und wieder jagte er so sinnverwirrend schnell dahin, dass er tief unter sich auf der Erde kaum irgendwelche Einzelheiten unterscheiden konnte.
    Wälder, ein kleines Dorf, eingebettet in eine Talsenke, dann wiederum Wälder, Weiler, Wälder – er schoss darüber hinweg und jagte über einer Straße dahin, die sich abermals durch Dickicht zog. Und alles ging so rasend rasch, dass er auf der Straße da unten nur ein paar Punkte, Flecken, bunte Schatten wahrnehmen konnte – eine Kutsche vielleicht, Wanderer, dunkelrote Tupfer, einen Bauernkarren, eine dahintrottende Ziegenherde … Halt, dachte Amos, was war das gerade für ein hingetupftes Rot? Eiskalte Schauer liefen ihm auf seinem Geisterrücken hinab.
    Purpurrotes Glühen, drei, vier nebeneinander dahinschwankende Punkte – Amos konnte sie gerade so noch einmal in den Augenwinkeln sehen, dann war unter ihm abermals nichts als undurchdringlicher Wald.
    Reiter?, dachte er. Die Purpurkrieger, wer sonst! Gerade da endete sein schwindelerregender Flug und wiederum schwebte Amos zur Erde herab, wie ein Blatt im Herbstwind aus dem Baumwipfel herniedertrudelt.
    Er landete am Rand einer kleinen Lichtung. Der Abend dämmerte, und Egbert und seine Leute schienen ermattet von der langen Wanderung. Rolfus, der Steinmetz Walter und Egbert saßen auf einem umgestürzten Baum eng beisammen und beratschlagten sich mit ernsten Mienen. Amos erkannte auch Sarah und einige andere Frauen, die sich bei dem Feuer in der Mitte der Lichtung zu schaffen machten. Suppe brodelte in einem Bottich, emsig schnipselten die Frauen verschiedenerlei Wurzeln und Kräuter hinein, und ein würziger Duft wehte zu Amos herüber.
    Auch wenn man seinen Körper viele Meilen entfernt in einem Maurerwagen zurückgelassen hatte, konnte man Hunger verspüren. Ganz zu schweigen von Sehnsucht nach dem Mädchen, das man liebte – auch wenn man gegenwärtig keinen Mund besaß, um sie zu küssen, und keine Arme, um sie zu umschlingen. Und auch wenn von Klara auf der ganzen Lichtung nichts zu sehen war.
    So wenig wie von Leander – diesem dreckigen kleinen Dieb, dachte Amos, und die Eifersucht reckte neuerlich ihren giftigenStachel in ihm empor. Den Brief von Kronus hatte Leander ihm damals zu klauen versucht – und nun auch noch Klaras Herz, kaum dass er selbst den beiden seinen Rücken zugewandt hatte? Und hatte nicht auch Klara eine diebische Ader? Hatte sie nicht in Nürnberg monatelang von kleinen Raub- und Diebeszügen gelebt und ihm selbst den Brief von Kronus geklaut – mit wahrhaft diebischem Spaß an seinem Schrecken und seiner Wut?
    Er wollte das alles nicht denken, ganz im Gegenteil – es brach ihm beinahe sein Geisterherz. Aber wie er sich auch den Nacken verrenkte, er konnte weder Klara noch Leander entdecken.
    Klara! , schrie er mit nahezu brechender Gedankenstimme. Die Purpurkrieger – sie haben eure Fährte wiedergefunden – in höchstens einer Stunde sind sie hier! Klara! Wo

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