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OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger

Titel: OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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waren.
    Neben dem Steg standen Meinolf und Elias und sahen unverwandt in einen Nachen hinab, der halb im lehmroten Wasser, halb auf der Uferböschung lag. Obwohl Hannes nur ihre Rücken sehen konnte, spürte er überdeutlich, wie ungeduldig die beiden Kirchenmänner waren. Nun rappelte sich in dem Nachen ein Mann auf, der dort offenbar die Nacht verbracht hatte. Er war ärmlich gekleidet und in mittleren Jahren. Seine Miene war friedlich und schlafverquollen – doch dann sah er die beiden Männer auf der Uferböschung genauer an und sein Antlitz wurde starr und grau.
    »Was befehlen die … heiligen Herren?«, krächzte er hervor und sah furchtsam von dem Offizier zum Dominikaner. »Pater, ich bin ein frommer Mann und habe mir nichts zuschulden kommen lassen.«
    Offenbar hielt er Meinolf für den gütigeren der beiden Kirchenmänner. Der Gehilfe des Inquisitors gab sich indessen keineMühe, ihn in diesem Irrtum zu bestärken. »Das zu beurteilen steht nur Gott zu«, sagte er barsch, »und Seiner Gerichtsbarkeit, deren Diener du hier vor dir siehst.«
    »Ihr … Ihr …« Der arme Mann geriet ins Stammeln. »Ihr seid von der Inquisition?«
    »Höre auf, wie ein Idiot herumzustottern, und beantworte meine Fragen. Bleibe bei der Wahrheit, dann wird dir nichts Arges geschehen.« Meinolf packte den Mann unvermittelt beim Kragen und zog ihn nah zu sich heran. »Wie ist dein Name?«
    »Kuno, Pater – der Fischer Kuno, so nennen und kennen sie mich alle hier am Roten Main.« Meinolf ließ den Fischer los und der beeilte sich, ganz aus seinem Kahn herauszuklettern. Er war ein groß gewachsener Mann, doch der Dominikaner stand über ihm auf der Böschung, und so musste er seinen Kopf weit zurücklegen, um Meinolf ins Gesicht zu sehen.
    »Wenn du als Fischer arbeitest«, fuhr Meinolf in sanfterem Tonfall fort, »dann bist du also häufig hier am Fluss?«
    »Von früh bis spät, Herr. Und von spät bis früh.« Kuno deutete auf seinen Nachen. »Bei warmer Witterung nächtige ich oft in meinem Boot, um beim ersten Morgenlicht wieder auf dem Wasser zu sein.«
    »Aber heute hast du verschlafen? Die Sonne steht schon über dem Wald.«
    Kuno fuhr sich mit breiter Hand über den Nacken. »Nun ja – es war eine unruhige Nacht …« Er biss sich auf die Unterlippe.
    »Eine unruhige Nacht?«, wiederholte Meinolf. »Was hat denn deinen Schlaf gestört – vielleicht eine Teufelin, die dich in deinem Nachen liebkost hat?«
    »Um Himmels willen, nein.« Kuno wurde noch bleicher, falls das überhaupt möglich war. »Es war nur … nun, es war …«
    Meinolfs Rechte schoss abermals vor und packte den Fischer diesmal beim Kinn. Er zog ihn hinter sich her, und obwohl der kräftige Mann ihn gewiss leicht hätte abschütteln können, ließ Kuno alles mit sich geschehen. Sein Gesicht sah kläglich aus –unten von Meinolfs Hand zusammengequetscht und darüber vor Angst verzerrt.
    »Was also hat deinen Schlaf gestört?« Der Dominikaner stieß ihn neben Hannes zu Boden. »Wäge deine Worte, Kuno – wenn du mich zwingst, meine Frage noch einmal zu wiederholen, schneide ich sie dir Letter um Letter in die Haut.« Mit zwei Fingern seiner Linken streichelte er über den Griff seines Dolchs, den er offen im Gürtel über der Mönchskutte trug.
    Der Fischer lag auf dem Rücken im Gras, die Arme nach hinten gestemmt, den Kopf krampfhaft angehoben. Geraume Zeit starrte er den neben ihm liegenden Hannes an, und dieser Anblick schien ihn noch mehr zu entmutigen – ein Junge in Lumpen, an Händen und Füßen gefesselt und so ausgemergelt, als ob die Inquisition ihn zum Hungertod verurteilt hätte.
    »Ich schwöre, Pater, bei allem, was mir heilig ist«, brachte er schließlich hervor, »ich habe diese Leute niemals vorher in meinem Leben gesehen. Es muss lange nach Mitternacht gewesen sein, da bin ich auf einmal aus dem Schlaf hochgeschreckt. Zuerst will ich meinen Augen nicht trauen: Da drüben aus dem Wald, von der Dornenburg her, kommt eine ganze Horde wilder Leute auf mich zugestürmt.«
    Der Fischer tastete sich über das Kinn, als ob er nachprüfen wollte, ob ihm noch alle Knochen und Knöchelchen an der richtigen Stelle säßen. »Es waren drei Dutzend oder mehr«, fuhr er fort, »alle struppig und zerlumpt, einige mit Fackeln in Händen, andere mit schlafenden Kindern auf den Armen. Die kräftigsten Männer aber schleppten ein ganzes Floß über die Uferwiese hierher.« Er deutete einige Schritte flussabwärts, und Hannes schaute so gut wie

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