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OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger

Titel: OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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Meinolf und sämtliche Purpurkrieger zu der gewiesenen Stelle.
    Gras und Erde waren dort von unzähligen Füßen zertrampelt. Hannes entdeckte außerdem Schleifspuren wie von einem halben Dutzend Baumstämmen, die eng nebeneinander über die Böschung zum Fluss hinabgezerrt worden waren.
    Meinolf und Elias wechselten Blicke. Der Offizier lächelte so strahlend wie immer, doch seine Augen waren entzündet vor Müdigkeit. »Ein Floß also«, sagte Meinolf, ohne seinen Blick von Elias zu wenden. »Und diese Leute, die das Floß bestiegen haben, Fischer – du hast sie doch alle aus der Nähe gesehen?«
    »Jeden Einzelnen«, bestätigte Kuno. »Die wilden Leute haben natürlich auch mich in meinem Nachen bemerkt, aber sie haben sich nicht weiter um mich gekümmert. Die Männer haben das Floß zu Wasser gelassen, dann haben sie den Frauen und Kindern auf das schwankende Gefährt geholfen. Schließlich sind sie selbst an Bord gegangen – ganz zuletzt so ein knochiger Alter mit Knotenstock und langem Bart, zwei kräftige Männer und ein junger Bursche mit blonden Zottelhaaren, der unablässig geredet hat.«
    Er hat geredet, wiederholte Hannes still für sich – Leander hat geredet?
    »Du meinst wohl eher«, wandte Meinolf ein, »einen schwarzhaarigen Burschen, begleitet von einem Mädchen mit langen blonden Haaren, beide etwa fünfzehn Jahre alt?«
    Der Fischer machte große Augen. »Ich schwöre bei allem, was mir heilig ist, Pater – so jemand war nicht dabei! Euer Bursche nicht und das Mädchen auch nicht – ich jedenfalls habe nur diesen blonden Kerl gesehen. Er hatte beinahe schon gelbe Haare und er hat wirklich unentwegt vor sich hin gebrabbelt – so als ob er betrunken wäre oder seine Sinne nicht ganz beisammen hätte.«
    Leander, dachte Hannes wieder, das muss Leander sein! Also hatte Klara ihm wirklich aus dem
Buch der Geister
vorgelesen, und die erste Geschichte hatte nicht nur die Gabe der Gefühlsmagie in ihm erweckt, sondern ihn auch noch von seiner Stummheit geheilt?
    Unterdessen hatte sich Meinolf neben Kuno ins Gras gekauert. Er stützte sich mit einem Knie auf den breiten Brustkorb des Fischers und sah ihm sinnend ins Gesicht. »Aber ein fuchsrotes Pferd«, fragte er in beiläufigem Tonfall, »hatten diese Leute doch dabei?«
    Der Fischer riss seine Augen noch weiter auf. Flehentlich sah er zu dem Dominikaner empor, so als ob er aus Meinolfs Gesicht ablesen wollte, welche die richtige Antwort war. »Ein Pferd, Herr?«, wiederholte er kläglich. »Nein, auch ein Pferd hatten sie nicht dabei.«
    Gelobt sei Valentin Kronus, dachte derweil Hannes.
Das Buch der Geister
ist kein Teufelswerk, das seine Leser in Verwirrung stürzt, sondern ein wahres Labsal für Geist und Seele. Der Inquisitor, der Unterzensor, Meinolf und Elias – sie alle sind im Irrtum. Wie kann Kronus der leibhaftige Satan sein, wenn er mit seinem Buch doch wie ein zweiter Heiland die Stummen und Verstörten heilt?
    Eine fieberhafte Aufregung ergriff Hannes. Wie konnte er Meinolf nur davon überzeugen, dass das Geisterbuch kein Teufelswerk war? Natürlich musste er alles unterlassen, was Klara,
Das Buch
oder auch Amos in Gefahr bringen konnte – aber trotzdem, er musste es irgendwie probieren!
    Meinolf zog seinen Dolch aus der Scheide und ließ die Klinge in der Morgensonne blitzen. »Wenn du gelogen hast, Fischer«, sagte er, »passiert dir dies.« Er ließ sich blitzartig nach vorn fallen, stieß sein Messer neben Kunos Schläfe in den Boden und flüsterte ihm etwas ins Ohr.
    Sosehr sich Hannes anstrengte, er konnte nicht das Geringste von Meinolfs Gewisper verstehen. Aber ein eisiger Schauder lief ihm trotzdem am Rückgrat herunter – schon weil der Fischer so entgeistert dreinsah, während sich Meinolf wieder aufrichtete und sein schlammverschmiertes Messer in der Linken hin und her drehte.
    »Also?«, sagte er.
    »Kein … kein Pferd.« Die Hand, die der Fischer zum Schwur hob, zitterte wie im Krampf. »Und kein schwarzhaariger Bursche, genauso wenig wie ein blondes Mädchen – ich schwöre es, Euer Heiligkeit.«
    Der Dominikaner lächelte versonnen. »Nenne mich Frater – das genügt.« Sorgsam wischte er die Klinge am Gewand desFischers ab. »Und erwähne gegenüber niemandem, worüber du heute mit uns gesprochen hast. Sonst passiert dir dasselbe, was ich dir vorhin angekündigt habe – nur in der umgekehrten Reihenfolge. Verstanden?«
    Der Fischer nickte noch immer, mit bebendem Kinn und weit aufgerissenen Augen, als

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