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Orangentage

Orangentage

Titel: Orangentage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iva Procházková
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wieder was von Ereignissen!«, platzte Darek heraus. Er musste sich zusammenreißen, um Herrn Havlik nicht zu packen und ordentlich zu schütteln. Schließlich entlud er seine ganze Wut durch einen heftigen Tritt gegen das Koppeltor. »Sie reden sich nur heraus! Sie sind einfach ein Feigling! Sie hatten keinen Mut!«
    Herr Havlik ertrug seine Attacken ohne Widerstand.
    Â»Um Mut ging es nicht«, wandte er ein. »Dein Vater war im Eimer, Junge. Der Tod eurer Mutter hat ihn schlimm mitgenommen. Außerdem gab es immer weniger Arbeit, er brachte kaum Lohn nach Hause … Die Felle schwammen ihm weg und im Glas hat er seine Sorgen auch nicht ertränken können. Da ist Anton mit seinem Plan aufgetaucht, einem zweifelhaften, aber zu dem Zeitpunkt die einzige Rettung. Dein Vater hat daran festgehalten. Sollte ich ihm etwa übel nehmen, dass er sich aufgerappelt hat? Dass er die Kraft gefunden hat, neue Hoffnung zu schöpfen?«
    Â»Neue Hoffnung nennen Sie das?!« Darek kochte über. »Sie denken, dass Sie die Dinge ändern können, wenn Sie sie nicht klar beim Namen nennen? Klingt es so für Sie weniger ekelhaft? Haben Sie da ein besseres Gefühl?«
    Â»Um mein Gefühl geht es nicht. Aber es ist sinnlos, wenn du dir einredest, dass das jetzt das Ende der Welt ist.«
    Â»Ich? Mir etwas einreden? Und was ist mit Ihnen? Haben Sie mir nicht vor ein paar Minuten erzählt, dass es auf dem Schlachthof schonend und schmerzfrei zugeht?«
    Â»Mehr oder weniger schmerzfrei, habe ich gesagt.«
    Â»Was Sie alles gesagt haben, ist kiloweise Scheiße! Unter anderem, dass Pferde Engel sind und dass sie Liebe brauchen! Wie wäre das für Sie, wenn man Sie in einen engen Käfig sperren würde, wenn Sie sich Hunderte von Kilometern um die Ohren schlagen würden und nicht wüssten, wieso und wohin? Würden Sie das als Zeichen der Liebe sehen?«
    Herr Havlik senkte den Blick.
    Â»Nein …«, kam es schließlich aus ihm heraus, »… ich kann es mir nicht vorstellen.«
    Â»Dann versuchen Sie es, verdammt noch mal! Man würde Ihnen nichts zu trinken geben. Und schließlich, wenn Sie so fertig wären, dass Sie nicht mehr stehen könnten, würde man Sie schlagen, Sie anbrüllen und in eine Halle schleifen, die nach Blut stinkt. Bevor Sie an die Reihe kämen, müssten Sie zugucken, wie man Ihre Freunde tötet, und dann würde man Ihnen die Pistole an die Stirn setzen und schonend, total stresslos …« Darek streckte den Zeigefinger aus und drückte mit dem Mittelfinger den imaginären Abzug. »… peng! Vielleicht wären Sie nicht gleich tot, aber das macht nichts, man würde Ihnen die Halsschlagader aufschneiden und Sie zum Ausbluten mit dem Kopf nach unten aufhängen. Mehr oder weniger schmerzfrei.«
    Dareks Arm mit der fiktiven Pistole sank herab. Er atmete hörbar. Unter dem Adamsapfel spürte er den beklemmenden Schmerz, wie immer, wenn er aufgeregt war, in seinen Schläfen tickte es. Da schien es ihm auf einmal, als habe er ein Wiehern gehört. Er spitzte die Ohren und sah sich um, aber es musste Einbildung gewesen sein. Die Weide war leer und still, nur der Wind rauschte im Gras und vom Hühnerhof wehte ein Gackern herüber. Herr Havlik lehnte an den Krücken und betrachtete Darek zerknirscht. Darek fiel erst jetzt auf, dass er tiefe, schwarze Ringe unter den Augen hatte.
    Â»Schwarz und weiß, weiß und schwarz, das wechselt dauernd. Nie hält eine Farbe sehr lange. Genauso wie eine Stimmung«, hatte Hanka behauptet, als sie Darek im Frühling ihre Fotogalerie auf Facebook gezeigt hatte. Er hatte ihr damals recht gegeben, jetzt war er sich aber nicht mehr so sicher. Die Stimmungen vergingen zwar, aber nicht spurlos. Manche hielten einen so fest, dass man nach Luft schnappte.
    Â»Ich weiß, wie du dich fühlst, Junge, aber du musst versuchen, deinen Vater zu verstehen.«
    Â»Warum sollte ich das müssen?«
    Â»Es war kein Spaß für ihn.«
    Â»Für ihn! Na toll! Und für die Pferde? Für die war es wohl Spaß? Und was ist mit Ema und mir – hat er gar nicht an uns gedacht?«
    Â»Gerade an euch hat er gedacht, Junge! Wegen euch hat er das doch getan! Ihr steht für ihn an erster Stelle!« Herr Havlik war durch Dareks Ausbruch vorhin so aus der Fassung gebracht, dass er immer wieder die Finger auf dem Krückenhandgriff schloss und streckte.

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