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Orangentage

Orangentage

Titel: Orangentage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iva Procházková
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wollte. »Zeichne noch einen Besen und ab die Post!«
    Er legte das Heft vor Ema auf den Tisch, ging ans Fenster und wieder zurück, rieb sich die Hände, steckte sie in die Hosentaschen. Im nächsten Augenblick zog er sie aber wieder heraus und schaute auf sein Handgelenk.
    Â»Das kann doch nicht wahr sein, schon acht Uhr!«, wunderte er sich. Sein nervöser Blick wanderte über die Vorhänge mit Mutters selbstgemachtem Batikmuster, über die toten Fliegen auf dem Boden, über die Bücherregale, auf denen eine alte, dicke Schicht Staub lag. Mit einem Seufzen schüttelte er den Kopf und steuerte hastig auf die Tür zu.
    Â»Ich schau mal kurz bei Mihule vorbei. Ein kleines Bier vom Fass kann nicht schaden.«
    Â»Ich gehe mit«, sagte Ema. Sie legte den Stift hin und schob ihren Stuhl zurück.
    Â»Das kommt gar nicht infrage! Bis du das Bild fertig hast, bin ich wieder zurück«, bremste Vater sie. »Und wenn ihr wollt, können wir dann etwas spielen.«
    Â»Das Gruselschloss?«, platzte Ema heraus.
    Vater nickte. »Abgemacht.«
    Â»Oder Meermory!«
    Â»Das ist eine noch bessere Idee. Ich weiß gar nicht, wann ich das letzte Mal Memory gespielt habe. Du wirst mich bestimmt schlagen!«
    Auf der Schwelle blickte er sich noch einmal um.
    Â»Ich trinke nur eins, um den Durst zu löschen, und bin gleich wieder da!«, versprach er und zwinkerte abermals verschwörerisch. Diesmal erwiderte Darek das Zwinkern nicht. Er beugte sich über das Biologiebuch und blieb reglos sitzen, bis die Haustür zuklappte. Dann sah er durchs Fenster, wie Vater mit den Händen in den Taschen schnell hinter der Wegbiegung verschwand.
    Â»Bestimmt werde ich Papa schlagen … ganz bestimmt«, wiederholte Ema.
    Â»Mach erst mal dein Bild fertig.«
    Ema hob den Stift und zeichnete eifrig ein paar Linien. Dabei zerknitterte die Seite und bekam einen Riss.
    Â»Gut gemacht.« Darek verzog spöttisch den Mund.
    Â»Das ist nicht gut«, wimmerte Ema. Sie verstand keine Ironie. »Das ist kaputt!«
    Darek ignorierte ihr Gejammer. Er blätterte im Biologiebuch bis zu der Seite, die sie gerade durchnahmen, und versuchte, sich zu konzentrieren. Botanik machte ihm keinen Spaß. Er fand das langweilig, wenig dramatisch. Natürlich hatten sich die Pflanzen über Millionen von Jahren entwickelt, ihre Organe waren genauso schlau wie die von Tieren, sie ernährten und vermehrten sich oft auf sehr spannende Art und Weise – aber aus Dareks Sicht verlief das Ganze unerträglich langsam und unspektakulär. Wenn sich ein Raubtier Nahrung besorgte, war es ein aufregender Kampf, der sich miterleben ließ. Wenn durch Graswurzeln Wasser und Mineralien zum Stängel transportiert wurden, konnte man das auf keinen Fall als mitreißend bezeichnen. Es regte die Fantasie nicht an. Darek hatte es ein paarmal versucht. Er hatte Klee oder Wegerich gepflückt, das Grünzeug angeguckt und sich vorgestellt, wie die Fotosynthese wohl ablief. Doch während er sich zwang, über die Bedeutung der Pflanzenwelt oder auch über erneuerbare Energien nachzudenken, beobachtete er viel lieber eine vorbeilaufende Ameise. »Es kommt nicht darauf an, was du beobachtest, sondern wie aufmerksam du es beobachtest. Ohne Aufmerksamkeit entdeckst du die kosmischen Zusammenhänge nicht«, pflegte Herr Havlik zu sagen. »Und kosmische Zusammenhänge gibt es überall, sogar in Hühnerscheiße oder in der Pfütze vor der Tür. So mancher ist überall gewesen, hat alles gesehen und ist trotzdem stockblöd geblieben.«
    Darek merkte auf einmal, dass Emas Gejammer aufgehört hatte. Er schaute auf. Sie saß über ihr Heft gebeugt und starrte die angerissene Seite an. Tränen kullerten ihr über die Wangen.
    Â»Warum heulst du?«, fragte Darek, nach außen hin ganz ruhig, aber innerlich fürchtete er Emas Tränen. Meistens hatten sie keine große Bedeutung, doch manchmal waren sie Vorboten von stundenlangen Weinanfällen. Dann rollte sich Ema wie ein Igel zusammen, hielt sich die Ohren zu, zitterte am ganzen Körper, manchmal bepinkelte sie sich sogar. Mutter hatte sich in solchen Momenten immer zu helfen gewusst. Geduldig saß sie neben ihr, sprach mit leiser Stimme, streichelte sie, fuhr zärtlich mit den Fingern durch ihre Haare. Schließlich beruhigte sich Ema immer, nahm die Hände von den Ohren und richtete sich

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