Orangentage
»Freu dich schon mal drauf!«
Unter der Dusche auf dem FuÃballplatz wusch er sich den Dreck ab, rieb den Schlamm von Shorts und T-Shirt, wusch sich die Haare und putzte sich gründlich die Nase. Den übrig gebliebenen Schuh putzte er nicht, sondern warf ihn in den Mülleimer. Ihm war klar, dass er den anderen nie aus dem Teich würde herausfischen können. Erst eine Woche zuvor hatte er die Sportschuhe vom Vater bekommen. Aus festem Leder, mit verstärkten Spitzen, waren sie besonders gut auf der Wiese bei den Pferden zu tragen. Sie reichten bis über die Knöchel, sodass die Grashalme keine Chance hatten, einzudringen. Man rutschte damit auch nicht aus den Steigbügeln. Jetzt würde Darek wieder die alten, abgetretenen Latschen tragen müssen und dem Vater ⦠Er hatte keine Ahnung, was er dem Vater erzählen sollte.
Er entschied sich für den Kirchweg. Das war zwar ein Umweg, er führte aber an Höfen und Gärten entlang, wo er nicht so vielen Leuten wie auf der HauptstraÃe begegnen würde. Er hatte keine Lust, sich anstarren zu lassen und die spöttischen Fragen der Nachbarn zu beantworten. Man sah ihm an, dass er sich geprügelt hatte. Sein Ellbogen war angeschwollen und voller Schrammen, ein Ohrläppchen blutete. Darek wischte es sich immer wieder ab, es blutete jedoch unaufhörlich weiter und nervte ihn.
»Verdammte Kacke!«, schimpfte er vor sich hin. »Das zahl ich ihm richtig heim!«
Während er sich langsam nach Hause schleppte, überlegte er, wer diesmal den Streit provoziert hatte. Der Auftakt dazu war gegen Ende der ersten Halbzeit erfolgt, als Darek den Ball nach einer weiten, ungenauen Flanke erwischte. Da er gerade gut stand, rannte er, ohne jemandem den Ball zuzuspielen, Richtung gegnerisches Tor. Sie spielten gegen Bretnov, es stand 1:1 unentschieden und Darek hatte die Zwangsvorstellung gehabt, noch vor der Pause das führende Tor schieÃen zu müssen. Aber er hatte es verballert. Einer der Bretnov-Verteidiger, ein Lulatsch mit dem Spitznamen Satellit, hing wie eine Klette an Darek, zwang ihn, die Richtung zu ändern, und nahm ihm schlieÃlich den Ball vor den FüÃen weg. Ein anderer Spieler nutzte die Lücke in der Pioseker Abwehr und innerhalb weniger Sekunden landete der Ball hinter Hugos Rücken im Netz. In der zweiten Halbzeit kämpfte Dareks Mannschaft verbissen, aber der Ausgleich gelang nicht mehr. Niemand regte sich darüber auf; bis zum Ende der Saison standen noch etliche Spiele auf dem Plan, in denen sie sich behaupten konnten, doch Hugo war auÃer sich vor Wut. Er schäumte wegen des Tors und schob die Verantwortung dafür Darek zu. Der wollte wiederum die Schuld nicht alleine auf sich nehmen. Bereits in der Umkleide hatten sie sich die ersten Beschimpfungen an den Kopf geworfen, weiter gingâs drauÃen mit kräftigen StöÃen, und bevor sie den Hügel über dem Teich erreichten, schlugen sie mit den Sporttaschen aufeinander ein. So nahm die Prügelei ihren üblichen Lauf.
»Na? Wie habt ihr gespielt?«
Darek schaute auf. Zwischen den Hecken radelte Mischa auf ihn zu. Seine FüÃe standen nicht auf den Pedalen, sie streiften den Boden auf dieselbe Weise, wie er es immer tat, wenn er keine Eile hatte, sondern nur so im Dorf herumtrödelte. Vor Darek hielt er an.
»Blöd.«
»Wie blöd?«
»Um ein Tor verloren.« Darek hatte es nicht nötig, Mischa etwas vorzumachen. »Ich war scheiÃe im Angriff.«
»Oder der Torwart war scheiÃe im Schnappen.«
FuÃball war für Mischa die groÃe Unbekannte. Er war nicht dafür gebaut, hatte keine Ahnung von den Spielregeln, aber als Dareks bester Freund stand er felsenfest und unter allen Umständen hinter ihm.
»Habt ihr euch schon wieder gegenseitig die Fresse poliert? Hat Hugo dir das Ohr eingerissen? Was ist mit deinem Ellbogen?«, fragte er Darek und nach einer Pause stellte er noch eine Frage, die heikelste: »Wie sagst du das deinem Vater?«
Darek hob die Achseln. Das Thema Schlägerei war zu Hause unzählige Mal durchdiskutiert worden. Manchmal hatte sich Vater um einen einlenkenden Ton bemüht, ein anderes Mal hatte er die Nerven verloren und Darek angebrüllt, und hin und wieder hatte er ihn mit Schweigen bestraft. Es hatte gar nichts bewirkt, denn es stand nicht in seiner Macht. Vater konnte nicht ahnen, wie tief die Wurzeln dieser Feindschaft
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