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Orchideenhaus

Orchideenhaus

Titel: Orchideenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Riley
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wissen, wie viel Ertrag durch den Verkauf der Ernte und des Viehs zu erwarten war beziehungsweise wie hoch die Ausgaben für neue Maschinen und Vorräte würden. Olivia hatte ihn überdies darauf hingewiesen, dass einige der Arbeitercottages dringend renovierungsbedürftig
seien, doch das musste warten, weil für die Reparaturen am Haupthaus allein Tausende benötigt würden.
    Harry errechnete, dass er zehntausend Pfund aufnehmen musste, um das Gut auf Vordermann zu bringen. Es würde zwei Jahre dauern, bis die ersten Gewinne flossen und er anfangen konnte, den Kredit abzuzahlen. Es handelte sich um ein langfristiges Projekt.
    Harry warf seufzend einen Blick auf die Großvateruhr, die in der Ecke des Arbeitszimmers leise vor sich hin tickte. Es war halb drei Uhr morgens. Wie jede Nacht dachte er an Lidia und fragte sich, wo sie sich aufhielt. In Bangkok war es vormittags. Wahrscheinlich saß sie lächelnd an der Rezeption und entzückte die neuen Gäste mit ihrem Charme …
    Und träumte davon, dass Harry bald zu ihr zurückkam.
    Harry holte Briefpapier aus der Schreibtischschublade seines Vaters und schrieb ihr, wie jeden Abend, einen kurzen Liebesbrief, den er am Morgen Bill geben würde. Darin erwähnte er nichts mehr von ihrer gemeinsamen Zukunft, um sie nicht mit Versprechungen zu quälen, die sich nie erfüllen ließen, sondern sagte ihr lediglich, wie sehr er sie liebe und wie sehr sie ihm fehle.
    Obwohl nur hin und wieder eine Antwort von ihr kam, sah er jeden Tag unter den Orchideen im Gewächshaus nach.
    Harry schaltete seufzend die Schreibtischlampe aus. Schon in Changi hatte er geglaubt, eine lebenslängliche Strafe zu verbüßen; nun erschien es ihm, als setzte sie sich in Wharton Park fort.

44
    Als der Sommer dem Herbst wich und die Kälte des Winters herannahte, wurde Christopher allmählich zu schwach, um noch aufzustehen. Adrienne saß den größten Teil des Tages bei ihm, sprach mit ihm oder las ihm etwas vor, während er vor sich hin döste. Sie wich nur von seiner Seite, wenn Harry oder Olivia sie ablöste.
    Im Dezember, kurz vor Weihnachten, erlitt Christopher einen weiteren schweren Herzinfarkt. Wenige Stunden später starb er, ohne das Bewusstsein wiedererlangt zu haben.
    Die Trauerfeier fand einen Tag vor Heiligabend statt, in der Kapelle des Anwesens, in der Harry und Olivia geheiratet hatten. Über dreihundert Menschen gaben Christopher das letzte Geleit. Er wurde in der Familiengruft der Crawfords neben seinen Ahnen beigesetzt.
    Olivia beobachtete Harry aus den Augenwinkeln, als er die Trauergäste nach dem Gottesdienst im Haus empfing. Sein Gesicht drückte Schmerz aus: In diesem Moment liebte sie ihn mehr denn je. Obwohl er nach wie vor reserviert und distanziert war und sie ihn nicht dazu bewegen konnte, von seinen Erlebnissen in Changi zu erzählen, kam er oft spät in der Nacht zu ihr, um mit ihr zu schlafen.
    Am nächsten Morgen wachte sie mit blauen Flecken und Schmerzen auf, weil er sie so grob genommen hatte. Irgendwann würde sie ihn bitten, sanfter zu sein, doch fürs Erste ließ sie ihn angesichts der Umstände gewähren. Der körperliche Kontakt sowie der Trost, die der Akt ihr verschafften, waren ihr zu wichtig, um ganz darauf zu verzichten.

     
    Weihnachten verlief in düsterer Stimmung, obwohl Adrienne sich wider Erwarten als erstaunlich gelassen erwies.Vielleicht half es, dass sie Zeit gehabt hatte, sich auf den Tod ihres Mannes vorzubereiten und ihm noch alles zu sagen, was ihr auf dem Herzen lag.
    Als die Kirchenglocken das neue Jahr einläuteten, betete Olivia, dass es Harry die innere Ruhe und Zufriedenheit bringen würde, derer er so dringend bedurfte.
     
    Ende Januar, als der erste Schnee des Winters auf Wharton Park fiel, wusste Harry, dass er Lidia reinen Wein einschenken musste. Bis dahin hatte er sich immer noch vorgestellt, zu ihr zu reisen, wenn ihn die Dunkelheit zu übermannen drohte.
    Lidias Briefe lasen sich in der letzten Zeit dringlicher als die früheren; sie schrieb, dass es bei seiner Rückkehr viel zu besprechen gebe, und fragte ihn, wann er glaube, kommen zu können. Harry fiel auf, dass sie nicht mehr das Briefpapier des Hotels benutzte, und begann sich Sorgen zu machen.
    Unfähig, ihr die Wahrheit zu gestehen, erklärte er in seinem nächsten Brief, dass sein Vater gestorben sei und er vieles regeln müsse, bevor er zu ihr aufbrechen könne.
     
    Dann trafen überhaupt keine Briefe mehr von ihr ein.
    Da wusste Harry, dass etwas nicht stimmte, und

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