Orchideenhaus
erwartet hatte. Harry ging nach dem Essen zu den Stallungen, um über die letzten matschigen Schneereste auf seinem Land zu reiten.
Hinter einem Wäldchen tauchte Wharton Park in voller Pracht auf. Harry hielt sein Pferd an, um das Gebäude in Ruhe zu betrachten. Zum ersten Mal empfand er Stolz darüber, dass es ihm gehörte. Er war jetzt der Herr und Meister, und sogar seine Mutter musste sich seinen Wünschen fügen. Bisher machte er sich in seiner neuen Position gar nicht so schlecht.
Außerdem bestand Aussicht auf einen Erben, möglicherweise
sogar einen Sohn, der die Zügel bei seinem Tod übernehmen konnte. Ein tröstlicher Gedanke.
Lidia …
Harry legte den Kopf verzweifelt an den samtigen Nacken des Pferdes. In einer anderen Welt hätte er das Leben mit ihr geteilt.
Nun wusste er, dass es für ihn nur einen Weg gab: Er war in Wharton Park geboren worden und würde dort bleiben.
Harry bekam einen trockenen Mund, als er an Lidia dachte. »Mein Gott … «, stöhnte er.
Er musste sein Los akzeptieren und aufhören, sich und alle, die mit ihm zu tun hatten – besonders Olivia –, zu bestrafen. Sie konnte schließlich nichts dafür, dass er eine andere begehrte, und verdiente Höflichkeit und Verständnis von ihm.
Doch zuerst musste er Lidia finden und seine geliebte Treibhausblume freigeben. Aber wie? Da Olivia schwanger war und Ruhe brauchte, konnte er sie und das Gut frühestens verlassen, wenn das Kind das Licht der Welt erblickte.
Es musste eine andere Möglichkeit geben …
Als das Pferd lostrabte, hatte er eine Lösung gefunden. Er ritt zu den Stallungen zurück, stieg ab und reichte einem Burschen die Zügel.
Beim Betreten des Gewächshauses war der Plan in seinem Kopf fertig. Bill saß auf seinem Hocker und inspizierte die Wurzeln einer Orchidee.
Er hob den Blick. »Guten Tag, Euer Lordschaft. Wie geht’s?«
»Gut, danke, Bill.« Harry überraschte es immer noch, wenn jemand ihn mit diesem Titel ansprach, der so lange seinem Vater gehört hatte.
»Leider wieder keine Nachricht.«
»Nein …« Harry sah Bill eine Weile bei der Arbeit zu.
»Wahrscheinlich wird auch keine mehr kommen. Sie scheint verschwunden zu sein.«
Bill legte die Pipette weg. »Was soll das heißen: Sie ist verschwunden? «
»Sie hat das Hotel verlassen, und offenbar weiß niemand, wo sie sich aufhält. Ich bin in großer Sorge.«
»Das denke ich mir«, sagte Bill. »Es tut mir leid. Kann ich irgendwie helfen?«
Harry holte tief Luft. »Ja, ich glaube schon, Bill …«
Um halb fünf ging Elsie mit einem Teetablett hinauf zu Olivia und klopfte an ihre Tür. Als sie das Zimmer betrat, stellte sie fest, dass ihre Herrin noch schlief.
»Aufwachen, Miss.«
Olivia schlug die Augen auf. »Du gütiger Himmel, ist es wirklich schon so spät?«, fragte sie verschlafen. Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. »Das muss die Erleichterung darüber gewesen sein, dass ich es Harry gestanden habe.«
Elsie stellte das Tablett neben Olivia ab. »Was gestanden?«
Olivia wandte sich Elsie mit glänzenden Augen zu und griff nach ihrer Hand. »Liebste Elsie, jetzt, wo ich es Harry und seiner Mutter gesagt habe, darfst du es auch wissen. Ich erwarte ein Kind. Es soll im August kommen.«
»Miss! Wie schön!«
»Ja, nicht wahr? Harry scheint sich auch zu freuen.«
»Bestimmt«, meinte Elsie, bemüht, sich ihr Wissen über den neuen Lord Crawford nicht anmerken zu lassen. Als sie den Tee einschenkte, wurde sie plötzlich traurig. »Sie können sich glücklich schätzen, Miss … glücklicher als ich.«
»Elsie, entschuldige, das hatte ich nicht bedacht. Nach wie vor nichts Neues?«
»Nein. Es wird auch keine positiven Nachrichten geben.
Wir waren erst kurze Zeit verheiratet, als Bill vor vier Jahren in den Krieg zog, aber inzwischen ist er schon wieder eine Weile hier. Er war letzte Woche beim Arzt. Und der sagt, er kann nicht … Sie wissen schon, Miss.« Elsie wurde rot. »Der Arzt meint, es liegt daran, dass Bill mit zwölf Mumps hatte. Wir werden also keine Kinder haben.«
»Elsie, das tut mir schrecklich leid für dich.« Olivia wusste, wie sehr Elsie sich eine große Familie wünschte. »Vielleicht könntet ihr … adoptieren«, schlug sie vor.
»Darauf ist Bill nicht sonderlich erpicht … Und ich bin auch nicht so sicher, was ich davon halten soll. Allerdings hatten wir noch nicht viel Zeit zum Nachdenken. Wir warten erst mal ab und überlegen in ein paar Monaten weiter.«
»Gute Idee. Sehr
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