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Orchideenstaub

Orchideenstaub

Titel: Orchideenstaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Pleva
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dich schon wieder. Ich hab die Nase voll vom Warten. Ich brauche endlich wieder jemanden an meiner Seite. Ich will mir nicht mehr nur der einzige Halt sein.
    Picasso: Hallo? Bist du noch da?
    Sonnenschein: Ja. Ich bin müde. Lass uns morgen weiterreden.
    Picasso: Es macht mich verrückt, dir nicht in die Augen sehen zu können, dich riechen zu können, deine Bewegungen zu sehen, dich reden zu hören. Ich drehe durch.
    Sonnenschein: ☺ Bis morgen.
    Sonnenschein hat den Chat verlassen.
     
    Der Mann klang regelrecht verzweifelt und ausgehungert nach Liebe. „Gibt es nur den einen?“, fragte Sam und rieb sich die Augen, die ihm etwas wehtaten, nachdem er sich angestrengt hatte, die kleinen Buchstaben zu entziffern. Er würde sich nun endlich mal daran gewöhnen müssen, seine Lesebrille bei sich zu tragen.
    „Bisher konnte ich keinen Weiteren finden.“ Juri klickte sich immer noch durch die Menge von Dateien.
    „O. k., dieser ein Monate alte Chat sagt uns nur, dass da jemand war. Aber treffen wollte sie sich nicht mit ihm, was die Aussage von Nicki Hörner untermauern würde.“
    „Vielleicht hat sie sich aber doch in der Zwischenzeit mit ihm getroffen und hat es ihren Freundinnen nur nicht gesagt“, bemerkte Juri.
    „Ja, möglich wäre es. Hatte ich dir schon gesagt, dass er wohl aus Hamburg kommt. Das schränkt den Suchradius etwas ein.“ Sam musste über seine eigene Bemerkung lachen, während er große Kreise auf ein Blatt Papier malte. Die Bewegung hielt ihn davon ab, die Augen zu schließen und sofort einzuschlafen.
    „Nichts leichter, als jemand mit dem Pseudonym Picasso in Hamburg zu finden.“
    „Dachte ich‘s mir.“ Sam unterdrückte einen Gähner. „Warum hat sie ausgerechnet den gespeichert?“
    Juri zuckte mit den Schultern. „Vielleicht hat sie auch nur vergessen ihn zu löschen. Keine Ahnung. Oder ich finde die anderen Chats auch noch irgendwo.“ Juri sah auf Sams Kreise, die immer dunkler wurden, je mehr Umdrehungen er mit dem Kugelschreiber machte.
    Der Mann war in der Hoffnung gewesen, seine große Liebe gefunden zu haben, dachte Sam. Er selbst hatte sie auch mal gefunden und gehen lassen. Er würde viel Zeit brauchen, bis er wieder einen Menschen in sein Leben lassen würde.
    „Vielleicht haben sie sich getroffen, und da sie ihn laut Nicki Hörner, ausgesprochen hässlich fand, hat sie ihn abblitzen lassen oder sogar beleidigt und er, schwer gekränkt, hat sich an ihr gerächt. Vielleicht gibt es noch weitere Vergleichsfälle. Anzeigen wegen Belästigung oder ähnlichem nach einem Internetkontakt. Wir sollten auch danach die Datenbanken durchgehen.“
    „Und um sich zu rächen, ist er ihr direkt nach Barcelona gefolgt? Halte ich für Blödsinn. Außerdem wäre es dann ein Mord im Affekt. Dieser hier war von langer Hand geplant. Nein, zurzeit ist noch alles offen, Kleiner. Es ist auch gut möglich, dass jemand aus einer Laune heraus Frau Rewe getötet hat. Das würde bedeuten, keine Täter-Opfer-Beziehung, kein wirkliches Motiv. Der Albtraum eines jeden Ermittlers.“ Sam rieb sich wieder über die Augen und gähnte. „Ich bin müde, machen wir Schluss für heute.“
    Der Monitor des Computers warf einen bläulichen Glanz auf Juris junges Gesicht. Er nickte und fuhr den Laptop runter.
    „Wo der Chat stattgefunden hat, kann man nicht rausfinden, oder?“
    „Weißt du, wie viele Chaträume es gibt?“
    Sam winkte ab und zog sich eine wattierte Jacke über, die Juri ihm geliehen hatte. „Ich weiß. Hunderte, Tausende. Aber vielleicht sollten wir mal die gängigsten Partnersuchseiten durchforsten. Dann sollten wir in diesem Café in Eppendorf nachfragen, ob der Mann mit Mütze bei der Belegschaft einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat. Wenn wir Glück haben, hat er mit Karte bezahlt.“
    „Das wäre schön. Ich melde mich morgen bei ein paar Seiten an und setze das schönste Bild meiner Schwester rein.“
    „Du hast eine Schwester?“
    „Ja. Sie lebt in Sibirien.“
    Sam überlegte, ob Juri einen Scherz gemacht hatte, aber er verzog keine Miene. Er musste sich eingestehen, dass er nicht allzu viel über seinen Partner wusste, was ihn etwas beschämte. Immerhin arbeiteten sie eng zusammen, da sollte er ein bisschen mehr Interesse zeigen. Nur jetzt war er zu müde. Es würden sich sicherlich noch viele Gelegenheiten ergeben, mehr über Juris Geschichte zu erfahren. Sam verabschiedete sich und fuhr in sein Hotel in der Innenstadt.
    Die Temperaturen waren unter den Nullpunkt

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