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Orchideenstaub

Orchideenstaub

Titel: Orchideenstaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Pleva
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arbeitete achtzehn Stunden am Tag, um sich abzulenken und dementsprechend sah er auch aus.
    Beiden fiel sofort Dr. Rewes verändertes Erscheinungsbild auf. Der Mann hatte mindestens fünf Kilo abgenommen, seine Wangen waren eingefallen und seine Haut war wachsbleich wie die eines Toten.
    „Sie sollten sich eine Auszeit gönnen, Dr. Rewe, sonst werden Ihre Kinder auch bald nicht mehr viel von Ihnen haben“, bemerkte Sam.
    „Ich weiß. Ich bin selbst Arzt. Wie kann ich Ihnen helfen? Haben Sie irgendetwas in dem Computer meiner Frau entdeckt, das die Lösung des Falles bringt?“
    Ein kurzer Blickaustausch zwischen Juri und Sam. Ohne Worte waren sie sich einig, dass sie die Internetbeziehung von Frau Rewe nicht erwähnen wollten.
    „Nein. Sie können den Computer auf dem Revier jederzeit abholen.“
    Sam und Juri nahmen unaufgefordert auf einem brauen Ledersofa Platz, während Dr. Rewe am Fenster stehen blieb und verdrossen registrierte, dass die beiden Polizisten wohl länger bleiben wollten. Höflichkeitshalber fragte er, ob sie etwas trinken wollten, und war erleichtert, als beide ablehnten.
    „Sagen Sie, Dr. Rewe, gibt es in Ihrer Familie noch mehr Ärzte?“, fragte Sam.
    „Ja.“
    „Wer?“
    „Mein Vater war ebenfalls Arzt. Darf ich fragen, warum Sie das interessiert?“
    „Es gab nach dem Mord Ihrer Frau noch einen weiteren. Er war ähnlich aber anders.“
    Dr. Rewe war sichtlich überrascht und Sam hatte nun seine volle Aufmerksamkeit.
    „Anders? Wie soll ich das verstehen?“
    „Kann es sein, dass Ihr Vater … “  Sam machte absichtlich eine kurze Pause. Auch weil er einen Augenblick befürchtete danebenzuliegen. „Orthopäde war?“
    Dr. Rewe sah Sam erstaunt an. „Sie haben das recherchiert?“
    „Nein, ich habe geraten.“
    Ein Blick zu Juri verriet Dr. Rewe, dass Sam die Wahrheit sagte.
    „Soll das ein Witz sein? Ich meine, was hat mein Vater mit dem Mord an meiner Frau zu tun? Er ist seit zehn Jahren unter der Erde.“
    „Dr. Richard Steiner ist seit zwanzig Jahren tot. Er war Hautarzt und der Vater von Dr. Harry Steiner. Der war mit seiner Geliebten in Paris. Und während er zu einem Kongress ging, hat man ihr die Haut abgezogen.“
    Dr. Rewe war sprachlos. Er schüttelte immer wieder den Kopf und murmelte Unverständliches vor sich hin.
    „Es muss irgendetwas geben, was Ihre Familien miteinander verbindet, Dr. Rewe. Denken Sie bitte nach.“
    Dr. Rewe setzte sich hinter den Schreibtisch und vergrub sein Gesicht in beiden Händen. Als er wieder aufsah, sagte er leicht verzweifelt: „Mir sagt der Name Steiner wirklich nichts. Ich kann Ihnen da nicht helfen, so sehr ich es mir wünschte.“
    „Gibt es noch irgendwelche Aufzeichnungen von Ihrem Vater. Tagebücher, Hinterlassenschaften, Fotos, irgendetwas …“
    Juri holte das kleine lederne Buch aus seiner Tasche, das er im Arbeitszimmer von Dr. Steiner gefunden hatte, und legte es Dr. Rewe hin, der den Einband in seinen Händen drehte und wendete.
    „Was soll das sein? Da steht ja nichts drin. Ich habe von meinem Vater nichts geerbt, außer ein bisschen Geld.“
    Sam hatte schon fast die Hoffnung aufgegeben, als Dr. Rewe seine Mutter erwähnte, die vielleicht genauer im Bilde sein könnte. Aber die Freude war schnell verflogen, denn Frau Rewe wohnte nicht in Deutschland und hatte auch kein Telefon, wie andere Erdenbewohner.
    „Aber Sie können sie über ein kleines Restaurant in ihrer Nähe erreichen. Die sagen ihr dann meistens Bescheid, und wenn sie Lust hat und guter Stimmung ist, ruft sie auch zurück“, erklärte Dr. Rewe und durchsuchte sein Handy nach einer Nummer, schrieb sie auf einen Zettel und reichte ihn Sam. Dann brachte er die beiden zum Ausgang und eilte mit wehendem Kittel den Korridor hinunter.
    Sam atmete hörbar aus, als er die Telefonnummer eingehender betrachtete. „Frankreich? Verdammte Scheiße.“ Er haute mit der flachen Hand auf das Dach des Autos.
    „Du willst doch da nicht etwa hinfahren?“
    „Du hast doch gehört, was er gesagt hat. Wenn sie in Stimmung ist, ruft sie an. Und ich habe keine Lust, wieder von der Stimmung einer Frau abhängig zu sein.“
    „Und was ist, wenn sie auch nichts weiß?“
    „Sie muss etwas wissen. Sie ist die Ehefrau gewesen“, sagte Sam und merkte, dass er versuchte, sich selbst zu überzeugen. Natürlich war ihm bewusst, dass er sich da an etwas klammerte, was vielleicht gar nicht da war. Aber was sollte er sonst machen? Däumchen drehen, warten, bis der nächste Mord

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