Orcs ante Portas
Beobachtung kann ich die Zeichen dafür erkennen.«
»Quatsch. Du musst noch eine Menge über Lügen in der zivilisierten Welt lernen. Meine Intuition sagt mir, dass Lohdius unschuldig ist. Und damit basta.«
Makri zuckt mit den Schultern. »Wie du meinst.«
Leider sagt mir meine Intuition einen feuchten Kehricht. Nach dem, was ich weiß, könnte Lohdius das Backwerk sehr wohl mit Karasin voll gestopft und es mit einem Lächeln auf den Lippen Calvinius gereicht haben. Ich hoffe einfach nur, dass er es nicht getan hat. Es gefällt mir überhaupt nicht, wenn sich meine Klienten als Mörder entpuppen. Das ist mir peinlich.
Auf der Fahrt nach Hause sinken die Temperaturen merklich. Ich fröstele und ziehe meinen Mantel enger um mich. Als ich die Außentreppe zu meinem Büro hinaufsteige, landen die ersten Schneeflocken sanft auf meinem Ärmel. Der Winter ist da. Bevor ich morgen Senator Lohdius besuche, muss ich meinen Mantel mit einem Wärmezauber imprägnieren.
Mit Rücksicht auf seine soziale Stellung wird der Senator nicht im Gefängnis schmachten müssen, während er auf seinen Prozess wartet. Er steht unter Hausarrest. Das mag zwar für einen Mann aus seinen Kreisen demütigend sein, aber es ist längst nicht so schlimm, wie monatelang im Kerker zu schmoren, möglichst noch in einer gemeinsamen Zelle mit einem gewöhnlichen Verbrecher. Die Justiz in Turai hat es zu einer hohen Kunst entwickelt, quälend langsam zu arbeiten, und es besteht eigentlich keine Gefahr, dass Lohdius vor Ende des Winters vor einen Richter treten muss. Die Vorverhöre werden normalerweise erst angesetzt, wenn sich das Wetter bessert. Allerdings ist es durchaus möglich, dass Konsul Kahlius eine Sondersitzung zu einem früheren Termin anberaumt, weil er versuchen möchte, den Fall schnellstens über die Bühne zu bringen. Lohdius hat viele Anhänger in Turai, und seine Parteigenossen werden sicher nicht gerade wohlwollend auf diese Entwicklung der Ereignisse reagieren. Der Konsul hofft sicherlich, dass das heraufziehende schlechte Wetter und der bevorstehende Angriff der Orks alle zivilen Unruhen unterbinden. Aber sicher kann er sich dessen nicht sein.
Weil ich mir ausrechne, dass unter diesen Umständen ein schneller Prozess vielleicht doch nicht ganz unwahrscheinlich ist, quäle ich mich am nächsten Morgen erheblich früher aus dem Bett, als mir eigentlich zuträglich ist. Ich mache mich daran, meinen Mantel mit dem Wärmezauber zu bearbeiten. Das ist eine der wenigen magischen Tätigkeiten, die ich noch bewerkstelligen kann. Da der turanianische Winter so grimmig ist, hat sich der Bann in den vergangenen Jahren als wahrer Lebensretter erwiesen. Danach verlasse ich meine Zimmerflucht, um Senator Lohdius, den Erzfeind des Konsuls, vom Verdacht des Mordes freizuwaschen.
Um eine solch frühe Stunde ist natürlich von einem Miet-Landauer nichts zu sehen, und ich muss den Mond-und-Sterne-Boulevard fast bis zu seinem Ende hinuntergehen, bevor ich eine Kutsche finde, die mich nach Thamlin bringt. Die Straßen sind bereits belebt, weil die Kaufleute unserer Stadt versuchen, aus den letzten paar Wochen, in denen sie noch ihrem Gewerbe nachgehen können, das Beste zu machen. Wenn der Winter erst richtig zuschlägt, kann man nur noch wenig Geschäfte tätigen. Die Schiffe kehren bereits zu ihren Winterliegeplätzen zurück, und ihre Kapitäne sind froh, dass sie es sicher in ihren Heimathafen geschafft haben, bevor die Stürme losbrechen. Bald werden auch die letzten Wagen mit Gütern aus dem Süden durch die Stadttore rollen. Danach wird Turai vom Land-und Seeweg aus unpassierbar sein. Und wenn das Wetter wirklich schlimm wird, kommt man sogar in Turai selbst nur schwer vom Fleck. Ich hege den Ehrgeiz, mir für jeden Winter genug Geld zurückzulegen, dass ich gar nicht arbeiten muss und meine Zeit vor dem lodernden Kaminfeuer in der Rächenden Axt verbringen kann, einen Krug Bier in der einen und ein Tablett mit Essen in der anderen Hand. Leider gelingt mir das nur sehr selten.
Für jemanden, der einer Anklage wegen Mordes entgegensieht, begrüßt Senator Lohdius den Mann, der in seinem Interesse ermittelt, nicht gerade sonderlich erfreut. Er ist deutlich weniger gastfreundlich als seine Frau und klärt mich sofort darüber auf, dass er nicht davon überzeugt ist, in mir den richtigen Mann für diesen Job vor sich zu sehen.
»Diese Angelegenheit gehört offensichtlich zu einer Intrige, welche die Traditionalisten gegen mich angezettelt
Weitere Kostenlose Bücher