Orcs ante Portas
werden vor den Stadtmauern Phalanxübungen durchgeführt. Bedauerlicherweise wurde das in den letzten Jahren sträflich vernachlässigt, obwohl die meisten Männer in Turai eine Art Militärdienst geleistet haben. Jeder Mann über dreißig, ganz gleich aus welcher sozialen Schicht, hat irgendwann sein Schwert und seinen Speer aufgenommen und ist in die Schlacht gezogen. Die meisten von ihnen können wohl davon ausgehen, dass sie es wieder tun müssen. Irgendwann.
Um unsere Streitkräfte zu verstärken, wurden Söldner verpflichtet. Die Zahl der Einwohner Turais wächst. Meistens treffen die Söldner einzeln oder in kleinen Kompanien ein, aber dem König ist es auch gelungen, eine große Division von mehreren tausend Mann zu verpflichten. Sie kommen aus Sumark, einem Land im Hohen Norden. Sie sind noch vor dem Wintereinbruch einmarschiert und wurden im Stadion Superbius einquartiert, das dicht vor unseren Stadtmauern liegt.
Da sich so viele Söldner in der Stadt tummeln, schiebt Makri Doppelschichten in der Rächenden Axt. Deshalb kommt sie nicht dazu, darüber zu lamentieren, dass ihre Hochschule im Winter geschlossen bleibt. Dafür beschwert sie sich jetzt über die Manieren der Söldner. Nach einigen anfänglichen Auseinandersetzungen haben die allerdings rasch gelernt, Makri zu respektieren. In der Rächenden Axt brummt das Geschäft. Das freut Ghurd. Zudem genießt er die häufigen Begegnungen mit den alten Kampfgefährten aus der Vergangenheit. Wenn die Söldner in dem Inhaber der Kaschemme ihren alten Kameraden wiedererkennen, lachen sie, hauen mit ihren Fäusten auf die Tische und wollen wissen, was einem alten Soldaten wohl einfällt, seinen Lebensunterhalt mit dem Zapfen von Bier zu verdienen.
»Mit geht es gut, ihr Hunde!«, brüllt Ghurd dann. »Macht euch um mich keine Sorgen. Wenn die Orks kommen, bin ich schon längst dabei, sie niederzumetzeln, während ihr Schwächlinge euch noch in euren Betten wälzt.«
Ghurd nimmt seine Streitaxt vom Haken hinter dem Tresen und schwingt sie durch die Luft, um seinen Kumpanen zu zeigen, dass er noch nichts von seiner alten Geschicklichkeit eingebüßt hat. Die Söldner grölen vor Lachen, saufen, was das Zeug hält, und glotzen Makri nach. Sie trägt eine Börse an einem Band um den Hals, in der sie ihr Trinkgeld verwahrt. Und sie scheint mir so gut gefüllt zu sein wie schon lange nicht mehr. Der Krieg ist ein gutes Geschäft, jedenfalls für Kaschemmen und Bordelle.
Tanrose und Ghurd haben sich offenbar versöhnt. Es besteht zwar keine unmittelbare Gefahr, dass sie gleich heiraten würden, aber wenigstens gehen sie wieder freundschaftlich miteinander um. Infolgedessen und wohl auch wegen des florierenden Geschäftes läuft Ghurd nicht mehr so missmutig wie eine niojanische Hure herum, sondern ist wieder ganz der fröhliche Barbar, mit dem ich mich durch die Welt geschlagen habe. Das ist eine sehr erfreuliche Veränderung, ebenso wie Tanroses Rückkehr in die Küche der Rächenden Axt. Zum ersten Mal seit Monaten bin ich wieder gut genährt. Da Tanrose die gestiegene Nachfrage an Speisen bewältigen muss, hat sie Bocusior als Helferin in der Küche behalten und bringt ihr bei, wie man ordentlich kocht. Eine sehr lobenswerte Idee, wie ich Makri erkläre. Falls Tanrose im Krieg getötet wird, bekomme ich selbst dann wenigstens meinen ordentlichen Eintopf.
»Wirst du zum Truppenkommandeur ernannt oder so was?«, erkundigt sich Makri.
»Kommandeur? Ich? Das bezweifele ich stark.«
»Aber du bist doch ein Tribun. Du sitzt im Niederen Kriegsrat. Und du hast Kriegserfahrung.«
»Alles gute Argumente«, stimme ich ihr zu. »Nur haben sie mich aus dem Kriegsrat hinauskomplimentiert. Und das andere gilt in dieser Stadt nicht viel. Unsere Kommandeure stammen alle aus der Senatorenschicht. Niemand mit einem ›ax‹ oder ›ox‹ in seinem Namen ist in der turanianischen Armee jemals befördert worden. Und seit ich für Senator Lohdius ermittele, werde ich von allen geschnitten. Ich bin in Thamlin so willkommen wie ein Ork auf einer Elfenhochzeit. Ich recherchiere mittlerweile seit drei Wochen in diesem Fall und habe noch nicht das Geringste herausgefunden.«
»Warum machst du überhaupt weiter? Lohdius will dich doch gar nicht.«
»Ich wurde von seiner Frau engagiert. Ich habe ihr Geld angenommen. Lohdius ist mein Klient, ob es ihm passt oder nicht.«
Jedenfalls theoretisch. In der Praxis komme ich nicht von der Stelle. Meine Ermittlungen werden von allen Seiten
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