Orden der Verderbnis - Thriller (German Edition)
zumindest versuchen! Das ist unsere
einzige Chance!“
„Chefin, noch einmal, das funktioniert nicht! Wenn ich das
mache, werde ich garantiert beurlaubt oder …?“, konterte Keßler.
„Oder was?“, fragte Verena provozierend. „Suspendiert? Haben
Sie Angst um Ihre Karriere? Hat Sie jetzt auch die Karrieregeilheit erfasst?“
In dem Augenblick, als sie den Satz beendet hatte, wusste Verena,
dass sie zu weit gegangen war.
„Ich glaube, es ist besser, wenn ich jetzt gehe.“, sagte
Keßler ruhig und stand auf. Auf dem Weg zur Wohnungstür drehte er sich noch
einmal um und stellte dann mit bestimmten Ton fest: „Es war ein Fehler hierher
zu kommen.“
Verena, die Keßler gefolgt war und versuchte, ihn am Ärmel
seiner Jacke festzuhalten, flehte ihn an: „Keßler, entschuldigen Sie. Bitte!
Das sind die Nerven. Sorry, es tut mir leid!“
Keßler reagierte nicht mehr auf die Entschuldigung. Er
schaute sie mit festem Blick an und schüttelte dabei den Kopf. Dann löste er
ihre Hand, die sich an seinen Ärmel klammerte und verließ die Wohnung ohne ein
Wort.
Verena ging in die Küche und schaute aus dem
Fenster hinunter auf die Straße. Der Regen prasselte gegen die Fensterscheibe
und bildete kleine Rinnsale auf dem Fensterrahmen, die sich dann ihren Weg abwärts
auf die Fensterbank suchten. Sie wusste, dass sie einen Fehler gemacht hatte
und war sich jetzt sicher, dass sie Keßler vertrauen konnte. Seine
Argumentation stimmte. Er konnte unmöglich den offiziellen Weg gehen. Egal, was
er auch machte, Bent würde ihn zu Fall bringen. Falls das passieren sollte,
würde auch die letzte Hoffnung auf Hilfe und einen Ausweg wie eine Seifenblase
zerplatzen.
39
+++ Freitag, 28. September - 7.30 Uhr · Kloster
Auethal +++
Nachdem Keßler gestern Abend Verenas Wohnung verlassen hatte,
war sie nicht zur Ruhe gekommen. Unruhig und innerlich aufgewühlt hatte sie
keinen Schlaf finden können und sich bis in den frühen Morgen im Bett von einer
Seite auf die andere gedreht. Die gesamte Zeit musste sie an Ben Seybold
denken. Wo war er geblieben? Hatte man ihn überrascht und überwältigt? Wo
steckte er gerade? Und vor allem: schwebte er in Lebensgefahr?
Weil sie keine Antworten auf ihre Fragen fand, war sie früh
aufgestanden, hatte geduscht, einen starken Kaffee getrunken und sich dann ins
Auto gesetzt. Ihr Entschluss stand fest. Sie würde alleine nach Auethal fahren
und dort nach Ben suchen.
Vor gut fünfzehn Minuten war sie in Auethal angekommen und
stand jetzt in der Halle des Hauptgebäudes. Eben kam Markus Bezold, der
Assistent des Rektors, die Treppe hinunter und blieb vor ihr stehen.
„Herr Eichholz lehnt ihr Ersuchen strikt ab. Ohne
Durchsuchungsbeschluss können wir Ihnen keine Erlaubnis erteilen, sich hier im
Kloster umzusehen. Außerdem soll ich Ihnen ausrichten, dass sich Herr Eichholz
erneut über Sie beschweren wird. Man hatte ihm zugesagt, von Ihnen nicht mehr
belästigt zu werden.“, führte Bezold aus.
Verena kochte innerlich. Sie spürte, dass ihr Gegenüber nicht
ehrlich war und versuchte, etwas zu verbergen. Dieses verlogene Grinsen im Gesicht
des Assistenten des Oberen brachte sie fast zum Schäumen. Vermutlich war sie
nur ein paar Meter von Ben entfernt, konnte aber nicht zu ihm. Sie bildete sich
ein, seine Nähe zu spüren. Dieses Gefühl vermischte sich mit ihrer Verzweiflung.
Sie spürte wie diese immer weiter in ihr aufstieg. Gerade in dem Augenblick,
als sie erneut zu einer verbalen Attacke ausholen wollte, flog plötzlich mit
einem Schwung die Eingangstür der Halle auf. Keßler betrat den Raum und baute
sich vor Bezold auf.
„Was wollen Sie denn hier?“, schleuderte dieser ihm erstaunt
und wütend entgegen.
„Erst einmal Guten Tag Herr Bezold! Soviel Zeit muss
sein.“, antwortete Keßler mit einem breiten Grinsen.
„Bevor Sie jetzt noch weiter echauffieren, Frau Sonnenbergs
Besuch beruht auf einem Missverständnis, das ich jetzt nicht weiter erklären
will. Ich bin lediglich hier, um sie abzuholen. Richten Sie Herrn Eichholz die
besten Grüße aus.“
Bezold stand regungslos da. Ihm war anzusehen, dass er nach
Worten suchte, doch bevor er etwas sagen konnte, trat Keßler einen Schritt zur
Seite, umfasste Verenas Arm, zog sie an sich heran und schob sie in Richtung
der Ausgangstür.
„Kommen Sie, Frau Sonnenberg?“
Verena, von Keßlers Auftritt mindestens genauso überrascht
wie Bezold, leistete keinen spürbaren Widerstand. Sie ließ sich von ihm
Richtung der Tür
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