Orden der Verderbnis - Thriller (German Edition)
dem
hartgesottenen Ben Seybold schwer zugesetzt. Neben den Bildern befanden sich
auch Filme auf der Festplatte, die jeden normal veranlagten Menschen erschauern
ließen. In seiner Laufbahn als Polizist und als Privatermittler war er oft in
Situationen gewesen, die ihm viel abverlangten. Doch die Fotos, die er sich
tagsüber ansehen musste, übertrafen alles, was er bis dahin gesehen hatte.
Immer wieder stellte er sich die Frage, was Menschen dazu trieb, Kinder zu
quälen und sexuell zu missbrauchen. Für dieses Verhalten gab es keine Erklärung
und vor allem keine Entschuldigung. Es machte ihn zornig, wütend und auch
hilflos, weil er keine Antworten auf seine Fragen fand. Die Taten waren schon
verwerflich und abscheulich genug. Doch das reichte den Tätern offensichtlich
nicht. Sie gingen noch einen Schritt weiter und veröffentlichten die Fotos und
Videos in dafür eingerichteten virtuellen Internetforen.
„Du bist so still, Ben. Was ist los mit dir?“
Verena blickte vom Beifahrersitz aus seitlich in Ben Seybolds
Richtung, der gerade nach einem geeigneten Abstellplatz für das Auto suchte. Den
Wagen konnte er nicht auf dem Parkplatz des Klosters abstellen. Sie mussten
jedes Aufsehen vermeiden und so galt es, einen Parkplatz abseits der Straße zu
finden und den Rest des Weges zu Fuß zurückzulegen.
„Dir macht die Sache zu schaffen. Stimmt’s?“, bohrte Verena
nach.
„Ja, sicher. Doch jetzt sollten wir uns auf das Kloster
konzentrieren. Mein Instinkt sagt mir, dass hier alle Fäden zusammenlaufen. Die
Verbindungslinien treffen hier zusammen.“, antwortete Seybold, ohne Verena
dabei anzuschauen.
„Von den beiden Ermordeten Baumert und Böttger wissen wir,
dass sie hier als Lehrer gearbeitet haben. Ob das dritte Opfer, der Richter,
einen Bezug zum Kloster hatte, wissen wir momentan noch nicht. Auf jeden Fall
starben alle drei durch das Kegelschneckengift. Dann haben wir einen
Tatverdächtigen, der für alle drei Morde kein Alibi vorweisen kann. Außerdem
verfügt er über das Wissen und die Möglichkeiten, an das Gift heranzukommen und
es zu verabreichen. Auch dieser, wie heißt er doch gleich?“
„Du meinst Vergil Nagy.“, antwortete Verena.
„Genau. Dieser Vergil Nagy war hier einst Schüler und kannte
zumindest Baumert und Böttger persönlich.“
Seybold blickte immer noch durch die Frontscheibe in die
dunkle Nacht und schaltete den Motor des Wagens und die Scheinwerfer aus.
„Dann gibt es eine zweite Linie, die zu Bent und Hartwig
führt. Die beiden kennen sich und sind auf den Bildern und den Filmen zu sehen,
die ich mir heute angeschaut habe. Mir ist dabei klar geworden, dass ich damals
auf der richtigen Spur war.“
„Du sprichst von dem Missbrauchsskandal, in dem du ermittelt
hast?“, fragte Verena.
„Ja, richtig. Damals waren wir ganz dicht dran an diesem
Hartwig. Er war einer der Hauptakteure. Wie du weißt, wurden wir kurz vor dem
Zugriff gestoppt. Und weißt du, was das Schlimmste dabei ist?“
„Nein. Was meinst du?“
„Ich hätte damals nicht aufgeben dürfen und weitermachen
müssen. Vielen Kindern und Jugendlichen wäre ein schreckliches Schicksal
erspart geblieben. Wie viele Menschenleben hat dieses Schwein seitdem
zerstört?“
„Du solltest dich damit nicht quälen. Schließlich hat man dich
suspendiert. Du hattest doch gar keine Chance weiterzumachen.“, beruhigte ihn
Verena.
„Oh doch. Es hätte sicher einen Weg gegeben. Doch vielleicht
bietet sich jetzt die Möglichkeit, diesen Bestien Bent und Hartwig ihrer
gerechten Strafe zuzuführen, falls es so etwas gibt.“
„Ben, versteh‘ mich bitte richtig. Du solltest das nicht als
deinen persönlichen Rachefeldzug betrachten.“
„Keine Sorge, damit kann ich schon umgehen. Jetzt
konzentrieren wir uns erst mal auf den Einsatz. OK?“
„Eye eye, Sir!“ antwortete Verena und legte dabei halb
salutierend die Hand gegen ihre Schläfe.
Ben Seybold schmunzelte und zog sich eine schwarze Sturmhaube
über seinen Kopf. Zur Sicherheit hatte er auch ein paar schwarzer Handschuhe
mitgebracht und ein keines Etui mit diversen Werkzeugen und einem Dietrich-Set.
Bevor er den Wagen verließ, legte sie sanft ihre Hand auf sein Knie und sagte
leise:
„Pass auf dich auf, Ben.“
„Keine Sorge! Du weißt doch: Unkraut vergeht nicht.“, sagte
er mit einem Lächeln und verschwand in der Dunkelheit der Nacht.
*
Am Hauptportal des
Klosters angekommen, schlich Ben Seybold an der Innenseite der meterhohen Mauer
entlang, die
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