Ordnung ist nur das halbe Leben
einen Purzelbaum macht.«
Er ließ sich auf die Hände fallen und streckte den Popo in die Höhe.
»Dafür ist es hier doch viel zu eng«, sagte meine Mutter.
Clown Lolli schien zu überlegen, ob sie recht hatte, denn er verharrte in dieser Position.
»Langweilig«, sagte Anja.
Da sprang plötzlich Hannes auf und trat Clown Lolli in den Hintern. Riesenlacher! Plötzlich kam wieder Schwung in den Auftritt. Lolli erkannte seine letzte Chance, doch noch die Wende zu schaffen und sich fröhlichen Applaus zu verdienen.
Er rief übertrieben jammernd: »Aua!«, und fügte dann triumphierend hinzu: »Ätschi, hat ja gar nicht wehgetan.«
Das hätte er besser nicht gemacht. Hannes holte aus und trat mit der Wucht des Mittelstürmers zu, verfehlte aber sein Ziel um Haaresbreite und versenkte seine Schuhspitze zwischen den Beinen von Clown Lolli.
»Ahhh«, brüllte Lolli, sackte zusammen wie eine Marionette, der die Fäden abgeschnitten wurden, und krümmte sich in embryonaler Haltung auf dem Teppich.
Wir wussten nicht genau, ob das jetzt witzig war oder nicht, aber weil mein Bruder die Hände hochriss und »Tor, Tor!« schrie, lachten wir ein bisschen und applaudierten tapfer.
Dann schickte uns meine Mutter raus. Ich blieb noch einen Moment betreten stehen und schaute auf den winselnden Clown.
»Was ist mit ihm?«, fragte ich meine Mutter.
»Er hat Probleme«, sagte sie und reichte ihm etwas zu trinken, wobei ich fand, dass sie ihm ruhig ein größeres Glas hätte geben können. Das Glas, in das sie ihm Wasser aus der Glasflasche mit den Weizenähren drauf füllte, war jedenfalls winzig.
Ein Jahr später wollten meine Eltern alles wiedergutmachen und versprachen mir eine Schatzsuche. Bei meiner Freundin Claudia hatte ich mal eine Schatzsuche durch den Garten mitgemacht. Nach der Schnitzeljagd hatten wir, mit Plastikjuwelen behangen und mit Krönchen im Haar, Goldtaler-Kaubonbons gegessen, bis uns die Zähne aneinanderklebten. Großartig!
Der Ehrgeiz meiner Mutter war angestachelt, meinen Geburtstag ebenfalls zu einem unvergesslichen Erlebnis werden zu lassen. Und das wurde es auch. Meine Mutter besaß einige durchaus nützliche Charaktereigenschaften, aber Organisationstalent und Orientierungssinn gehörten definitiv nicht dazu. Die ersten zwei Zettel, die uns zu dem Schatz im Kottenforst führen sollten, fanden wir noch, aber dann verfransten wir uns. Mit ihrer mitreißenden Art brachte es meine Mutter fertig, uns noch weitere zweieinhalb Stunden durch den Wald zu jagen, immer mit dem Versprechen, dass wir es gleich geschafft hätten und schon ganz nah wären. Wir fanden die Schatztruhe nie. Und da darin das Essen und die Spielsachen waren, gingen alle hungrig und enttäuscht nach Hause.
Im nächsten Jahr wollte keiner mehr zu meiner Experimente-mit-dem-Chemiekasten-Feier kommen, die meine Eltern für mich veranstalten wollten. Das verriet mir meine Freundin Claudia unter dem Siegel der Verschwiegenheit. Ich war am Boden zerstört. Doch meine Tante Marianne sprang mir zur Seite. Sie hatte eine geniale Lösung, und die hieß: McDonald’s. Das hätten mir meine Eltern niemals erlaubt, die zu der Zeit auf dem vegetarischen Trip waren und Fleisch nicht ins Haus ließen und auch meinten, man solle solche Weltkonzerne grundsätzlich boykottieren. Also feierte ich – ohne dass meine Eltern je davon erfuhren – bei McDonald’s. Alle meine Freundinnen kamen. Dass ich meinen Bruder, den Zankapfel, nicht einladen konnte, weil er dann meinen Eltern alles verraten hätte, war nur ein positiver Nebeneffekt. Wir aßen Hamburger und Fritten, rutschten und aßen wieder Hamburger und Fritten. Dieser übersichtliche Ablauf wiederholte sich einige Male, bis meine Freundin Claudia sich auf die Rutschbahn erbrach. Ich dachte die ganze Rückfahrt über, ich müsste es Claudia gleichtun, aber unter Aufbietung all meiner Willenskraft schaffte ich es tatsächlich, die wertvolle XL -Portion Pommes und Hamburger und damit das Geheimnis meiner Feier für mich zu behalten. Und so war die McDonald’s-Party bis dahin der beste Geburtstag für mich gewesen – und der Anfang eines eingeschworenen Partybündnisses zwischen mir und meiner Tante.
Als Jens endlich die Dusche abstellte, war es schon Viertel vor elf. Um zwölf mussten wir los. Aber anstatt sich zu beeilen, dauerte es auch danach noch ewig. Er föhnte sich geschlagene zehn Minuten. Ich hatte mir mittlerweile alle Fingernägel in einem perfekten, leicht spitz zulaufenden Oval
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