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Ordnung ist nur das halbe Leben

Ordnung ist nur das halbe Leben

Titel: Ordnung ist nur das halbe Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Flint
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genannt?«
    »Puuunica.« Lisa kicherte.
    Sofort bekam ich einen Flashback. Ich war wieder in der Grundschule. Die anderen Kinder rannten um mich herum und schrien: »Punica, bleib stehen, ich will was trinken!« Oder: »Alte Safttüte.« Oder: »Hey, Punica, du wohnst bestimmt in einem Saftladen.« Oder: »Deine Eltern haben dich in der Punica-Oase gefunden.«
    Weder meine Eltern noch mein Bruder hatten je verstanden, was ich daran so schlimm fand, nach einem Saft genannt zu werden. Aber ich hasste es. Und je mehr ich es hasste, desto kreativer wurden meine Mitschüler. Und jeden einzelnen Tag wünschte ich mir, eine Nicole oder eine Stefanie oder eine Julia zu sein, und nicht die verrückte Puna, die in die stille Ecke musste, weil sie mit ihrem Mäppchen geworfen hatte.
    Und jetzt war also mein Bruder hingegangen und hatte für einen billigen Lacher meinen wunden Punkt an diese zugedröhnte Tussi verraten.
    »Ich sag dir was, liebe Lena«, sagte ich.
    »Lisa«, lallte sie. »Ich heiße Lisa.«
    »Wie dem auch sei. Du denkst vielleicht jetzt, du bist attraktiv, weil du einen Mann an Land gezogen hast. Aber in einer Sache kannst du dir sicher sein: Mein Bruder ist absolut nicht wählerisch. Der nimmt jede. Und enttäuschen wird er dich auch.«
    Lisa glotzte mich verwirrt an.
    »Er hält nie, was er verspricht. Er wird sich von dir aushalten lassen und von selber keinen Finger rühren. Das garantiere ich dir.«
    Die Synapsen in ihrem Hirn litten an alkoholbedingter Lähmung, und sie raffte gar nichts.
    »Also, verschwinde besser, bevor es zu spät ist«, fasste ich meinen Rat zusammen.
    Sie verzog für einen Moment den Mund zu einem Lächeln, und dann sagte sie zuckersüß: »Da hatte dein Bruder ja echt recht. Mann, bist du scheiße drauf.«
    »Was soll das denn heißen?«, brauste ich auf.
    »Na, er hat mir schon gesagt, dass du eine ziemliche Spaßbremse bist.«
    »Stimmt überhaupt nicht! Außerdem wollte ich dir nur helfen!«, rief ich ihr hinterher. Aber das glaubte ich mir leider selbst nicht.
    Als sie gegangen war, ärgerte ich mich. Jetzt hatte ich das getan, was ich bei meinen Eltern immer hasste. Ich hatte mich eingemischt. Natürlich konnte ich mich damit rausreden, dass Lisa selbst schuld war, weil sie so gemein gewesen war. Aber trotzdem fühlte ich mich schlecht. Ich konnte nur hoffen, dass sie nicht meine Schwägerin werden würde.
    Ich hatte mich noch nicht richtig von diesem Schreck erholt, da traf mich das vierte und letzte Desaster. Als ich aus der Toilette herauskam, bummelte ich noch einen Moment im Flur des Lokals herum und schaute mir die Gratis-Postkarten an, die in einem Ständer an der Wand hingen. Natürlich interessierten mich die nicht wirklich, aber ich brauchte noch ein bisschen Zeit, um mich zu sammeln. Drinnen tobte die Party, und ich wusste, dass die allermeisten schon heillos betrunken waren. Das war immer der Zeitpunkt, wo ich anfing, mich nach meinem Bett zu sehnen. Denn je betrunkener alle um mich herum waren, umso nüchterner war ich. Plötzlich hörte ich sie.
    »Ich finde es so dreist, dass du die Hochzeit meiner Tochter an dich reißt! Das ist Sache der Eltern«, sagte meine Mutter.
    »Nein«, antwortete Marianne pikiert. »Das ist Sache der Braut . Und die Braut möchte nun mal, dass ich wieder ihre Feier ausrichte.«
    Meine Mutter blieb einen Moment still. Ich ging leise zwei Schritte weiter und schaute um die Ecke. Meine Mutter und Tante Marianne, schon im Mantel, standen sich vor der Eingangstür wie zwei rivalisierende Böcke gegenüber.
    »Was soll das heißen: wieder ?«, fragte meine Mutter.
    Meine Tante verdrehte die Augen, dann sagte sie: »Das soll heißen, dass es natürlich nicht die erste Feier ist, die ich für sie ausrichte, Waltraud.«
    »Welche Feier willst du denn angeblich für sie ausgerichtet haben?«
    »Alle Kindergeburtstage, seit sie neun geworden ist.« Der Triumph in Mariannes Stimme war nicht zu überhören. »Deine Tochter, liebe Waltraud, ist nämlich schon immer zu mir gekommen ist, wenn sie eine schöne Feier haben wollte.«
    Meine Mutter fand ihre Fassung schnell wieder. »Das ist so typisch für dich, Marianne. Kannst du meine Tochter nicht mal in Ruhe lassen? In alles, was sie angeht, steckst du deine Nase rein!«, zischte sie.
    »Ha! Das sagt die Richtige. Das sagt wirklich die Richtige!« Die Stimme meiner Tante überschlug sich fast vor Ärger. »So wie du den Verlobten deiner Tochter behandelst!«
    »Er tut ihr nicht gut. Merkst du das

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