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Ordnung ist nur das halbe Leben

Ordnung ist nur das halbe Leben

Titel: Ordnung ist nur das halbe Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Flint
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denn nicht?«
    »Jens ist ein toller Mann. Sehr solide. Sehr anständig. Sehr anständig. Aber so was interessiert dich natürlich nicht, du egoistisches Biest.«
    »Nenn mich nicht ein egoistisches Biest, du Schnepfe. Ich sehe, wann meine Tochter ins Unglück rennt. Und dieser Mann ist ihr Unglück.«
    Ich stand da wie versteinert. Durch mein Hirn brauste ein stürmischer Nordwind, und ich konnte keinen klaren Gedanken fassen. Plötzlich musste ich husten. Meine Mutter drehte sich zu mir um.
    »Da hast du es, Waltraud! Gar nichts siehst du. Gar nichts!«, tadelte Marianne und ging auf mich zu und streichelte mir über den Arm, während ich immer noch fassungslos meine Mutter anstarrte. »Hör nicht auf sie, Moni.«
    Da fand ich meine Stimme wieder. »Keine Sorge, Tante Marianne. Das mache ich ganz bestimmt nicht«, sagte ich so kalt wie möglich, drehte mich rum und ging in den Saal. Ich reagierte gar nicht auf das »Puna!«, das mir meine Mutter hinterherrief. Natürlich nicht! Sie wusste alles besser, konnte sich aber noch nicht mal merken, dass ich diesen Namen hasste.
    »Ich will meine Eltern nicht auf unserer Hochzeit haben«, verkündete ich immer noch total aufgewühlt auf der Rückfahrt. »Die werden nicht eingeladen.«
    »Gott sei Dank!«, lallte Jens. »Endlich wirst du vernünftig!« Dann sackte er auf seinem Sitz zusammen und schlief ein.

6
    Woher nahmen Eltern eigentlich diese Dreistigkeit? Schließlich hatte ich sie mir ja auch nicht aussuchen können! Also kam es gar nicht in die Tüte, dass sie sich ihren Schwiegersohn aussuchten! Also ehrlich. Für wen hielten die sich eigentlich? Und dann hatten sie mich auch noch total dreist angelogen und behauptet, ich sei zu jung zum Heiraten. Dabei waren sie nur gegen die Hochzeit, weil sie Jens nicht mochten! War das zu fassen? Und wieso eigentlich? Dafür gab es doch nun wirklich keinen Grund.
    Ich dachte an den Tag, an dem ich ihnen Jens vorgestellt hatte. Meine Eltern hatten olle Arbeitsklamotten an, obwohl sie genau wussten, dass sie meinen Freund kennenlernen würden. Es war nichts vorbereitet, kein Tisch gedeckt, kein Kuchen gebacken. Ich kochte schnell Kaffee und suchte nach Plätzchen, fand aber nur eine angebrochene Packung aufgeweichter Butterkekse. Während ich mich über dieses respektlose Verhalten meiner Eltern total ärgerte (was sie mit einer Terminverwechslung entschuldigen wollten, aber diese alte Leier zog bei mir nicht), ließ Jens sich nicht aus der Ruhe bringen und machte einen super Eindruck. Er sah toll aus, war souverän, erzählte von seinem verantwortungsvollen Job und zeigte sich unbeeindruckt angesichts des Chaos in Haus und Hof meiner Eltern. Mein Bruder kam aus seinem Zimmer geschlurft, in zerrissener Jeans und ollem T-Shirt.
    »Jou, Män«, begrüßte er Jens, als ob er nicht ganz dicht wäre.
    Auf der ganzen Rückfahrt wetterte ich über meine Familie, weil es mir furchtbar peinlich gewesen war, dass sie so einen schlechten Eindruck bei meinem neuen Freund hinterlassen hatten.
    »Was soll’s?«, sagte Jens trocken. »Hauptsache, du bist anders.«
    Von dem Moment an liebte ich ihn noch mehr. Endlich hatte mal einer Verständnis für das, was ich mitmachte!
    Meine Freundinnen sagten immer so abwiegelnde Sachen wie: »Deine Eltern sind doch lustig.« Oder: »Sei froh, dass sie nicht so spießig sind wie meine.«
    Sie kapierten nicht, dass ich genau das überhaupt nie gewollt hatte! Ich hätte gerne spießige Eltern gehabt, die vernünftige Regeln aufstellten, welche auch für sie selbst galten, und die das Haus sauber hielten und sonntags Kuchen backten und im entscheidenden Moment das Richtige sagten.
    Ein paar Tage lang wartete ich auf einen Anruf, auf eine positive Resonanz, dass sie sagten: »Einen netten Freund hast du«, oder: »Gratuliere zu so einem tollen Fang« oder irgendetwas in der Art. Denn auch wenn man erwachsen war, blieb man doch auch das kleine Mädchen, das seinen Schatz gefunden hatte und dafür gelobt werden wollte. Aber es kam nichts.
    Ich rief meine Mutter an. »Und?«
    »Und was?«
    »Wie fandet ihr ihn?«
    »Wen?«
    »Na, Jens natürlich.«
    »Na klar, Jens«, sagte meine Mutter und wirkte für einen Moment so, als müsste sie sich erinnern.
    »Mein Freund«, setzte ich spitz hinzu.
    »Ja, nett. Sehr nett «, sagte meine Mutter nachdrücklich. »Wir wünschen euch viel Glück.«
    Na gut, sie waren nicht überschwänglich gewesen, aber das waren sie selten, wenn es nicht um ihre eigenen Bekanntschaften

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