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Ordnung ist nur das halbe Leben

Ordnung ist nur das halbe Leben

Titel: Ordnung ist nur das halbe Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Flint
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ins Auge gehen. Und da waren schnell ein paar Hunderttausend futsch! Gewinn und Verlust gingen nirgendwo so sehr Hand in Hand wie an der Börse. Ich musste noch einen Plan B haben, um meinen Fehler wiedergutzumachen.
    Mal überlegen. Es waren Mandanten abgesprungen. Man musste kein Rechengenie sein, um zu wissen, dass ein Minus an Mandanten nur durch eine Addition wieder ausgeglichen werden konnte. Mit anderen Worten: Die Höveler & Wulf Vermögensverwaltungs- AG brauchte neue Mandanten. Mmmhh. Ich war absolut ungeübt in Akquise und verfügte auch nicht im Geringsten über Hövelers Ich-bin-super-gib-mir-dein-Geld-Ausstrahlung, die es ihm erlaubte, auf irgendwelchen Society-Events wildfremde reiche Leute zu umwerben. Aber es musste eine andere Lösung geben. Wenn ich nur irgendwie an die Daten der Kunden meiner alten Bank kommen könnte, dann könnte ich vielleicht …
    Jens hatte noch Zugang zu den Daten. Nein. Moni, vergiss es ganz schnell wieder! Du würdest deinen Verlobten in eine wirklich blöde Situation bringen.
    Es sei denn, er wüsste nichts davon.
    Jetzt hör auf, Moni! Du wirst ihn da auf keinen Fall mit reinziehen.
    »Überraschung!«, sagte ich, als ich nach kurzem Anklopfen in Jens’ Büro sprang und eine Tüte mit Putenbrustbrötchen und zwei Flaschen Wasser schwenkte.
    Mit deutlichem Ärger im Gesicht schob er ein Blatt Papier, das er gerade aus seinem Drucker geholt hatte, unter seine Schreibtischunterlage und antwortete: »Ich habe leider keine Zeit für eine Mittagspause.«
    »Oh, schade«, sagte ich und setzte mich auf den Stuhl, der für Kunden bereitstand. »Aber du musst doch was essen.«
    »Ich würde ja gerne was essen«, gab Jens spitz zurück. »Aber mir tut heute mein Zahnfleisch so weh, dass es nicht geht.«
    »Entzündung?«, fragte ich zerknirscht.
    Er nickte und verzog vor Schmerzen sein Gesicht. »Vermutlich werde ich jetzt eine schlimme Parodontose entwickeln.«
    Ich ließ seinen Satz im Raum verhallen. Ich wollte ihn nicht mit einer spitzen Bemerkung in Rage bringen. Ich war ja hier, um ihn um Hilfe zu bitten.
    »Wir sollten das frühzeitig regeln mit den Kosten für ein Gebiss«, erklärte er.
    »Wie bitte?«
    »Natürlich«, sagte er. »Parodontose geht einher mit Zahnverlust. Wenn ich jetzt früh meine Zähne verliere, dann bist du mit dafür verantwortlich.«
    Ich starrte ihn verblüfft an. Hatte er jetzt komplett den Verstand verloren? »Das ist doch nur ein kleiner Kratzer.« Ich versuchte, meine Stimme normal klingen zu lassen.
    »Nur ein kleiner Kratzer?«, greinte er. »Das tut höllisch weh. Höllisch! Du hast wie mit einem Skalpell ganz tief hineingeschnitten.«
    Urplötzlich überkam mich das Bedürfnis, ihm eine zu knallen. Damit er mal den Unterschied zwischen echten und eingebildeten Schmerzen kennenlernte. Aber wieder riss ich mich mit fast unmenschlicher Selbstbeherrschung zusammen.
    »Und ich entschuldige mich dafür«, knurrte ich, »gerne auch zum fünfzigsten Mal.«
    »Ja«, sagte er huldvoll, vermied es aber erneut, mir offiziell zu verzeihen.
    Da platzte mir der Kragen. »Aber wenn du vor der Hochzeit nicht so lange geduscht hättest, hätte ich meine Fingernägel nicht so lange gefeilt und sie wären nicht so scharf gewesen. Und dann hätte ich auch nichts aufschlitzen können. So. Da hast du’s!« Endlich war es raus.
    Jens presste die Lippen aufeinander und ließ die Kiefermuskeln spielen.
    »Du willst also sagen, dass ich selbst schuld bin?«, fragte er scharf.
    »Nein«, stöhnte ich. »Ich will sagen, dass es ein Unfall war und dass du nicht so einen Aufstand deswegen machen sollst.«
    »Gut, dass ich das weiß, dass du dich so wenig für meinen Gesundheitszustand interessierst.« Pikiert stand er auf. »Wenn du mich bitte entschuldigen würdest – ich gehe jetzt zur Apotheke und spreche mit jemandem, der bereit ist, mir zu helfen.«
    »Soll ich mitkommen?«, bot ich mit aufloderndem schlechtem Gewissen an und sprang auf.
    »Nein, danke. Bis später.« Und schon war er aus der Tür.
    Du meine Güte! Dass er gestern wegen seines schlimmen Katers schlechte Laune gehabt hatte, war ja noch verständlich gewesen. Aber dass er heute immer noch so rumzickte, war wirklich übertrieben. Was war denn bloß mit ihm los?
    Ich beschloss, auf ihn zu warten, um die Sache zu klären. Als ich das Brötchen aufgegessen hatte, war er immer noch nicht zurück. Ich fegte schnell die Krümel von seinem Schreibtisch und blieb dabei mit dem Finger an dem Briefbogen

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