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Ordnung ist nur das halbe Leben

Ordnung ist nur das halbe Leben

Titel: Ordnung ist nur das halbe Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Flint
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bekanntlich einer der größten Risikofaktoren für – für alles!«
    »Was ist denn passiert?«, fragte ich, um ihn endlich von diesen Krankheitsgeschichten abzubringen.
    »Sagt dir der Begriff Schraubenkönig Reinhardt was?«
    »Äh, ja. Da war doch immer diese Werbung am Barbarossaplatz …«
    »Genau. Und die Erbin des Schraubenkönigs war meine Kundin. Eine wirklich sehr gute Kundin. Und die ist heute abgesprungen. Uschi Reinhardt hat einfach ihr Depot aufgelöst!« Er starrte mich entgeistert an, als könnte er es immer noch nicht fassen. »Und jetzt hängt mir der Mertens im Nacken und will wissen, was ich falsch gemacht habe.« Jens haute sich mit der Faust in die Hand.
    »Das ist ja – äh, blöd«, sagte ich und fing an zu schwitzen.
    »Dabei lag es überhaupt nicht an mir, das weiß ich hundertprozentig!«, sagte Jens.
    »Nee, du kannst gar nichts dafür«, bekräftigte ich und fügte schnell hinzu: »Kann ich mir jedenfalls nicht vorstellen, so penibel wie du mit allem bist.«
    »Auf jeden Fall wird es Zeit, dass ich selbst Filialleiter werde, dann brauche ich mir so ein ungerechtes Gemecker nicht mehr anzuhören.«
    »Wann geht Mertens denn in Pension?«, fragte ich. »Er ist doch noch gar nicht so alt.«
    »Mertens geht nicht in Pension.« Er schaute mich merkwürdig an.
    »Wo willst du dich dann bewerben?«, fragte ich begriffsstutzig. »So viele Filialleiterstellen gibt es doch gar nicht in Köln.«
    »Ja, gut, da muss ich dann eben flexibel sein«, sagte er ausweichend. »Können wir jetzt endlich essen?«
    »Aber wie stellst du dir das vor?«, fragte ich entgeistert. »Willst du etwa in eine andere Stadt ziehen?«
    »Ich mache die Fortbildung in London ja nur, damit ich mich auf eine Filialleiterstelle bewerben kann! Und wenn es hier keine gibt, muss ich eben woandershin.« Er sagte das so, als stünde sein Entschluss schon fest.
    Ich war einen Moment sprachlos. Dieses kleine Detail hatte er mir doch glatt verschwiegen. Kein Wunder, dass er seine Pläne nicht mit mir besprochen hatte.
    »Aber ich will hier nicht weg. Ich habe meinen Job hier! Und meine Freundinnen!«, rief ich.
    »Ja, gut«, sagte er gedehnt.
    »Was soll das heißen, ja, gut ?« Ich wurde langsam sauer.
    »Ja, gut heißt: Wenn wir Kinder kriegen, steigst du doch sowieso aus dem Job aus.«
    »Aber nur kurz.«
    Jetzt war er es, der mich verblüfft ansah. »Wie kurz hattest du dir das denn vorgestellt?«
    »Ein halbes Jahr.«
    »Ein halbes Jahr? Ein halbes Jahr? Und was dann? Sollen unsere Kinder dann etwa schon in die Kita? Ganztags ?« Er schaute mich an, als hätte ich vorgeschlagen, sie an einen russischen Mädchenhändler zu verkaufen.
    »Bleib du doch zu Hause, wenn dir das nicht passt!«, schrie ich.
    Na, toll. Jetzt hatten wir unseren ersten Streit über die Kinder, die noch nicht mal geboren, geschweige denn gezeugt waren.
    »Schrei nicht so rum!«, sagte Jens. »Oder willst du, dass Frau Kaufmann von nebenan alles mitkriegt?«
    Ich atmete tief ein und aus. »Entschuldige«, sagte ich unter Aufbietung all meiner Selbstdisziplin. »Ich bin etwas gestresst gerade. Lass uns das Thema morgen in Ruhe besprechen. Ich mach dir jetzt Spiegeleier, okay?«
    Er nickte. »Aber ruf vorher unseren neuen Freund Lutz an und frag ihn, ob diese Schmerzen vielleicht Anzeichen einer Thrombose sind.«
    Ich stöhnte genervt. Dann sagte ich schnell: »Er kann nicht – er wurde zu einem Notfall gerufen.«
    Jens rieb sich noch eine Weile sein Bein, dann verdrückte er später drei Spiegeleier auf Schinkenbrot, ohne auch nur einen einzigen Gedanken an seinen Cholesterinspiegel zu verschwenden.
    Am nächsten Morgen schlief Jens noch, als ich schon zu meinen Eltern fuhr, um Banjo abzuholen. Auf sie war ich wegen des Vorfalls auf der Hochzeit vor einer Woche noch ziemlich sauer. Und das würden sie zu spüren bekommen. Heute würde ich ihnen eröffnen, dass sie nicht zu meiner Hochzeit kommen durften.
    Ich musste schlucken. Das würde nicht einfach werden. Denn natürlich waren sie total bescheuert und gingen mir auf die Nerven, aber sie waren immerhin meine Eltern. Und die eigenen Eltern von seiner Hochzeit auszuladen, das war schon eine große Sache, die sich nicht mehr so einfach rückgängig machen ließ. Vielleicht würden sie sich ja entschuldigen und mir sagen, dass sie sich geirrt hätten und Jens doch toll sei. Oder sie könnten mich auch damit überzeugen, wenn sie sagten, dass sie mir vertrauen würden, die richtige Wahl getroffen zu haben.

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