Ordnung ist nur das halbe Leben
eine Jeans) und eine neue Jacke auf, da klingelte mein Telefon. Es war Jens.
»Hi, Schatz«, sagte ich geschäftig, »ich kann jetzt nicht. Ich ruf dich später zurück, okay?«
»Du musst nach Hause kommen«, sagte er, aber Cassidy steuerte gerade zielsicher einen Ständer mit durchsichtigen Oberteilen an und machte Anstalten, hier und jetzt ihren Pullover auszuziehen.
»Ich kann jetzt nicht«, rief ich schrill. »Bis nachher!« Ich legte auf. »Lass das«, mahnte ich Cassidy, »das Licht ist hier sehr unvorteilhaft.«
»Guck dich an! Bist doch selber fett «, zischte Cassidy, ließ aber wenigstens den Pulli an.
»Nimm doch lieber die hier«, sagte ich und zeigte Cassidy ein paar weiße Blusen. »Die kannst du mit allem kombinieren.«
Es war wie das zähe Ringen bei der feindlichen Übernahme eines Unternehmens und artete in Nahkampf-Shopping aus, als ich ihr einen Minirock von der Länge eines Frühstücksbrettchens und ein bauchfreies Lurex-Oberteil entreißen musste. Irgendwann hatte ich es geschafft, sie mit Hotpants und einer blickdichten Strumpfhose – die sie natürlich dazu tragen sollte! – so weit zu bestechen, dass sie auch eine Jeans, eine Stoffhose und zwei ärmellose Blusen nahm, die wenigstens schultauglich waren.
»Steht dir echt gut«, sagte ich mit einiger Überwindung angesichts der schwarzen Stoffhose, die ihre X-Beine vorteilhaft umspielte. Aber auch auf Komplimente reagierte sie nur mit ihrem hasserfüllten Kuhblick.
Als ich sie und die drei prall gefüllten Tüten ins Taxi verfrachtet hatte, drehte sich Cassidy zu mir und verkündete: »Nächste Woche gehen wir wieder shoppen, ist das klar ?«
Als ich nach Hause kam, sah ich sofort, dass was nicht stimmte. Auf dem Boden des Flurs waren braune Pfotenabdrücke, und die Tür zum Badezimmer zierte ebenfalls ein Schlammabdruck meines Hundes. Als Banjo mich hörte, fing er an zu bellen. Er war offensichtlich im Badezimmer eingesperrt.
Jens kam aus dem Wohnzimmer, auf seiner Stirn die steile Falte. Er zeigte anklagend auf den Dreck. »Siehst du das?«
»Ja, natürlich sehe ich das. Ich bin ja nicht blind.«
»Siehst du, was passiert, wenn man einen Hund hat?«, fragte er und ging ganz in seiner Rolle als Oberstaatsanwalt auf. »Frau Kaufmann hat den Hund hier reingelassen. In diesem Zustand!«
»Ich mache es gleich sauber, okay?«, bat ich erschöpft.
Ich ging ins Badezimmer und stellte den Regenschirm in die Wanne. Banjo wedelte mit dem Schwanz, an dem kleine Dreckklumpen klebten.
»Na, mein Kleiner. Du siehst ja wirklich klasse aus. Na, los, dann machen wir dich mal sauber.«
Den Hund und die Wohnung zu putzen dauerte eine Stunde. Danach war ich so erschöpft, dass ich nicht mal mehr was kochen wollte. »Können wir heute vielleicht einfach ein Butterbrot essen?«, fragte ich. »Oder eine Pizza bestellen?«
»Meinetwegen.« Jens’ Gesichtsausdruck war total verschlossen. »Aber eines ist klar, Moni: So geht das nicht. Es riecht überall nach Hund. Ich hatte schon Hundehaare auf meinem Mantel, und das heute – das war zu viel! Der Hund muss weg.«
»Aber …«
»Der Hund. Oder ich. Entscheide dich.«
Ich stöhnte. Was für eine unmögliche Situation! »Wenn ich ihn zu meinen Eltern bringe, weißt du aber schon, was das heißt?«
Er verdrehte die Augen. »Ich ertrage lieber deine Eltern auf unserer Hochzeit als diesen Köter in unserer Wohnung.«
Mir blieb also nichts anderes übrig, als zu meinen Eltern zu fahren. Ich hatte einen richtigen Knoten im Magen. Jetzt hatte ich mich einmal zu einer drastischen, aber richtigen Maßnahme entschlossen und sie von der Hochzeit ausgeladen, und schon musste ich es wieder rückgängig machen. Wie erbärmlich!
Ich fand sie im Garten. Meine Mutter stand unter der Akazie und schaute in den Baum, wo mein Vater vermutlich wieder auf seinem Vogelbeobachtungsposten lag, den er sich dort hinein gezimmert hatte.
»Überraschung«, sagte ich.
»Da bist du ja wieder«, sagte meine Mutter, als wäre nichts gewesen. Wobei nicht ganz ersichtlich war, ob sie mich oder meinen Hund meinte. Sie streichelte Banjo, der in ihrer Hosentasche nach was Essbarem suchte.
»Ah, Moni, komm hoch«, sagte mein Vater. Er lag auf dem Bretterboden, den er auf einer breiten Astgabel angebracht hatte, und beobachtete durch ein Fernglas die Wiese auf der anderen Seite der Mauer. »Das musst du dir ansehen.«
»Ein anderes Mal«, sagte ich.
»Los, hoch mit dir. Das ist wirklich superspannend!«
Ich war froh, dass
Weitere Kostenlose Bücher