Ordnung ist nur das halbe Leben
verklinkerten Bau zur Rechten. »Und ich kenne sonst niemanden, dem ich vertrauen könnte.«
Er kam einen Schritt auf mich zu. »Ich muss also entweder meine Bonsais riskieren oder meine Ehe. Schwierige Frage. Einige meiner Bonsais habe ich schon länger als meine Frau.« Er verdrehte die Augen, und ich war mir nicht sicher, ob es ein Scherz war oder nicht.
»Meine Oma hatte auch Bonsais«, plapperte ich. »Die waren wirklich toll. Aber als meine Oma starb, erbte mein Onkel Konrad die Bäumchen, und dann gingen sie ganz schnell ein. Er hat zum Beispiel einfach Wasser direkt aus der Leitung draufgekippt. Und viel zu viel gegossen! Sehr traurig.«
»Ach«, sagte Zacharias Höveler mit neuem Interesse in der Stimme. »Sie kennen sich also damit aus.«
»Nein, überhaupt nicht«, wiegelte ich ab.
»Aber das klingt wirklich so, als wüssten Sie Bescheid. Hey, könnten Sie das nicht machen?«
»Was?«, fragte ich, dabei wusste ich schon, was er meinte.
»Meine Bonsais gießen.«
Also. Ich musste ja zugeben, dass die Pflanzenpflege nicht gerade zu den Aufgaben einer Wertpapierspezialistin gehörte. Aber wenn ich aus diesem vermaledeiten Golddeal nicht noch irgendwie glimpflich rauskäme, dann bräuchte ich vielleicht doch ein paar Argumente für mich, auch wenn sie mit meinem eigentlichen Job gar nichts zu tun hatten.
»Also gut«, sagte ich. »Das mache ich.«
Dann wäre ich also nicht nur Babysitterin für zwei Horror-Teenies, sondern auch die persönliche Pflanzenbeauftragte des Chefs. Nicht besonders ehrenvoll. Aber vielleicht würde ihn genau diese Kleinigkeit davon abhalten, mich zu vierteilen, wenn ich wegen des Goldes im Minus bliebe.
Das redete ich mir ein, als ich wieder in unserer Straße am anderen Ende des Dorfes war und ein nagelneuer BMW SUV auf den Hof unserer Nachbarn fuhr. Er sah aus wie ein Panzer im Sonntagsgewand. Herr Engels saß hinter dem Steuer, ein vielleicht fünfzehnjähriger Junge auf dem Beifahrersitz, dessen Frisur so aussah, als hätte er eine halbe Stunden unter dem orkanartigen Luftstrahl eines Schwimmbadföhns gestanden.
Herr Engels öffnete die Tür und winkte mich ran. »Hey, Moni! Guck mal hier!«
»Hallo, Herr Engels«, rief ich. »Neues Auto?«
»Ja, ist das nicht eine Wucht? Malte gefällt es auch, nicht wahr?«
Malte nickte. »Is’ echt cool, Opa.« Er schob sich mit ungelenken Bewegungen aus dem Wagen raus und schlurfte davon.
»Komm mal, ich zeig dir was!«
Ich verbrachte zehn Minuten meiner Lebenszeit damit, allerlei technischen Schnickschnack im Cockpit mit geheucheltem Interesse zu kommentieren.
»Jetzt muss ich aber wirklich los«, sagte ich dreimal, bis er mich endlich gehen ließ.
»Na, dann! Grüß deine Eltern von mir. Und sag Ihnen, meine Frau und ich fahren in den Urlaub.« Er beugte sich verschwörerisch vor und raunte: »Auf die Seychellen!«
»Nein, Herr Engels! Das ist ja mal ein Abenteuer!«
»Nicht wahr? Meine Frau hatte zwar Bedenken, weil sie noch nie geflogen ist, aber ich habe gesagt, Linda, habe ich gesagt, jetzt oder nie. Wenn wir tot sind, haben wir nichts mehr von dem Geld.«
»Haben Sie etwa im Lotto gewonnen?«, fragte ich.
»So ähnlich. Wir haben die Wiese verkauft.«
»Die Streuobstwiese?«, fragte ich erstaunt. »Aber was wird denn damit jetzt gemacht?«
»Nichts! Das ist ja das Großartige. Da kann keiner bauen. Ist doch Landschaftsschutzgebiet. Also bleibt alles wie es ist – nur wir haben mehr Geld.«
Als ich wieder bei meinen Eltern war, erzählte ich ihnen die Neuigkeit.
»Das gibt es doch gar nicht«, rief mein Vater.
»Und was machen die da?«, fragte meine Mutter.
»Nichts können die da machen«, sagte mein Vater. »Ist doch Landschaftsschutzgebiet.«
Ich sagte nichts.
»Was ist?«, fragte mich meine Mutter.
»Na ja«, druckste ich herum. »Ich finde es merkwürdig. Niemand kauft eine Wiese, wenn er damit nichts anfangen kann.«
»Puhh«, stöhnte meine Mutter. »Und was machen wir, wenn die da was hinbauen?«
Mein Vater richtete sich auf, stemmte die Hände in die Hüfte, sein Bauch ragte hervor wie ein dicker Torpedo. »Damit eines klar ist: Niemand baut irgendwas dort, wo der Steinkauz nistet. Nur über meine Leiche.«
16
Der Kochkurs fand im Kölner Hyatt statt. Cassidy kam natürlich auch mit, obwohl sie sichtlich keine Lust hatte. Das änderte sich schlagartig, als sie den Koch sah. Kein Wunder, dass nur Frauen und Mädchen den Kurs besuchten.
Jochen Frank sah aus wie ein frisch gecasteter Popstar
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