Ordnung ist nur das halbe Leben
und führte sich auch so auf. Er hampelte exaltiert in seiner schwarz-roten Designerkochjacke herum, sang zwischen den Anweisungen zum Kochen immer Textzeilen aus irgendwelchen Songs, die offensichtlich angesagt waren, und sagte anzügliche Sachen wie: »Die Auberginen mögen es heiß, genau wie ich.« Oder: »Ich lieeeebe …«
Dann hingen die zwölf aufgebrezelten Teilnehmerinnen an seinen Lippen und hofften, dass er eine von ihnen anschauen und »dich« säuseln würde, bis er dann kokett »Rucola«, »Frischkäse« oder ein anderes Lebensmittel anfügte.
Ein paar von den jüngeren Teilnehmerinnen waren hauptsächlich damit beschäftigt, Jochen Frank anzuhimmeln, ihren Freundinnen MMS zu schicken oder ihre Facebook-Seiten im Drei-Minuten-Takt zu aktualisieren. Insgesamt kamen wir nur sehr mühsam voran.
Cassidy weigerte sich von vornherein, ein Messer oder einen Kartoffelschäler in die Hand zu nehmen, hatte aber immerhin nichts dagegen, wichtig im Wok zu rühren und Jochen Frank zu bitten, mal zu probieren. Dann hielt sie ihm den Löffel hin und betrachtete begeistert, wie er mit seinen vollen Lippen kostete. »Was meinst du?«, fragte sie mit ihrem Anbaggertonfall. »Ist das schon scharf genug? Du musst wissen, ich bin nämlich ziemlich scharf.«
Und Jochen Frank sagte: »Und genau für Mädchen wie dich habe ich das Kochbuch Feuer fangen! Kochen für Kids! geschrieben. Deine Mutter kann es gleich im Anschluss bei meinem Assistenten kaufen.«
Sundance fing zunächst damit an, sich durch die Zutaten zu probieren, aber erstaunlicherweise beließ sie es bei kleinen Geschmacksproben. Ansonsten hörte sie dem Koch genau zu und gab sich große Mühe beim Schälen und Schnippeln und bei der Zubereitung.
»Du hast wirklich Talent«, lobte Jochen Frank, als er ihr Mango-Chutney probierte. »Das schmeckt klasse!« Und diesmal klang es wirklich ehrlich.
Sie strahlte. Und ich freute mich. »Deine Eltern werden stolz auf dich sein«, flüsterte ich ihr zu.
Während sie letzte Hand bei der Tellerdekoration anlegte und Cassidy Fotos von Jochen Frank mit ihrem Smartphone schoss, ging ich ins Restaurant und wartete auf Uschi Reinhardt, die auch pünktlich auftauchte – mit meinem Kollegen Ilja im Schlepptau.
Hatte diese Frau denn überhaupt keinen Anstand? Warum brachte sie nicht Sundance’ Vater mit? Na gut. Es ging mich ja doch nichts an.
»Also, tschüs dann«, sagte ich und wollte schon gehen, da meinte Ilja zu mir: »Danke, dass du Cassy und Sunny begleitet hast. War doch sicher ein schöner Tag für dich, oder?« Er grinste mich unverschämt an.
Uschi Reinhardt lächelte ebenfalls. Dann schaute sie zur Tür und winkte jemandem zu. Leise sagte sie: »Wer ist der Typ noch mal? Oh.« Sie nahm die Hand runter. »Mist. Er kommt hier rüber. Hoffentlich muss ich nicht mit ihm reden. Das ist mein ehemaliger Bankberater.«
Ehemaliger Bankberater. Diese Worte zündeten in meinem Hirn, und die anschließende Explosion löschte jede Reaktionsfähigkeit aus.
»Guten Tag, Frau Reinhardt«, hörte ich Jens höflich sagen, und mir lief ein Schauer über den Rücken. »Das ist ja eine Überraschung. Geht es Ihnen gut?«
»Ja, vielen Dank«, erwiderte sie und machte dann etwas ganz Dummes. »Herr Hill, darf ich vorstellen? Das sind Ilja Jansen und Moni Steckelbach von der Höveler & Wulf Vermögensverwaltungs- AG .«
Er gab mir die Hand, als hätte er mich noch nie gesehen. »Aha. Guten Tag.« Und weiter an Uschi Reinhardt gewandt: »Zur Höveler & Wulf Vermögensverwaltungs- AG sind Sie also gewechselt.« Er sprach mechanisch, irgendwie sogar blechern.
Unglaublich, wie ruhig er bleiben konnte. »Na, ich hoffe, Sie bereuen es nicht irgendwann.«
»Dann komme ich wieder zu Ihnen zurück, ist doch klar. So, war schön, Sie zu sehen. Bis dann mal.« Sie drehte sich eilig um und zog Ilja mit sich.
»Jens …«, stammelte ich, aber er hatte sich schon umgedreht und war gegangen. Draußen vor der Tür schaffte ich es endlich, ihn einzuholen. »Lass es mich erklären!«, sagte ich verzweifelt.
»Ich brauche keine Erklärung, Moni. Die Sache erklärt sich schon von selbst. Du hast mich betrogen.«
Ich ließ schlaff die Arme fallen. Ich hatte es ja gewusst, aber diese Worte aus seinem Mund zu hören, war noch schlimmer, als ich es mir ausgemalt hatte.
»Ja«, sagte ich kleinlaut.
»Meine Güte, reicht es denn nicht, dass du diesen – diesen Job hast? Musst du mir auch noch meinen wegnehmen?«
»Ich nehme dir deinen Job
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