Ordnung ist nur das halbe Leben
doch nicht weg«, beteuerte ich.
»Ja, aber du hast mich bei meinem Chef in Misskredit gebracht und dafür gesorgt, dass ich meine Eltern enttäuschen musste, indem ich eben noch vor dem Abendessen gegangen bin, um dich und Lutz zu treffen, weil ich so Stiche in der Herzgegend gespürt habe.« Er griff sich an die Brust.
»Aber woher wusstest du, wo ich bin?«, fragte ich, als ob das eine Rolle spielte.
»Ein Anruf in deiner Firma hat genügt. Und siehe da: Du bist gar nicht mit Lutz verabredet, sondern mit meiner ehemaligen Kundin.«
Ich schaute ihn verzweifelt an. Aber irgendwie war ich auch erleichtert, dass ich ihn nicht mehr anlügen musste.
»Jens, ich muss dir noch was sagen. Dieser Lutz, dieser Arzt … Ich habe ihn nicht angerufen. Ich habe ihn nur das eine Mal gesehen.«
» Was? Wir sind gar nicht mit dem Herzspezialisten befreundet?«
»Er ist kein Herzspezialist, sondern Internist.«
Jens schaute mich erst konsterniert an, dann drehte er sich um und ging davon.
»Jens …«, rief ich ihm hinterher, doch er ging weiter.
Ich rannte ihm erneut hinterher und hielt ihn am Arm fest. Doch bevor ich mich rechtfertigten konnte, sagte er tonlos: »Du klaust meine Kundin und belügst mich auch noch in so einer wichtigen Angelegenheit? Das hätte ich wirklich nicht von dir gedacht, aber du bist total egoistisch, hinterhältig und kaltherzig.«
»Nein!«, rief ich. »Es war nur ein Fehler. Ein Ausrutscher. Und es tut mir leid.«
Ich hätte mich gerne in seine Arme geworfen und geweint, aber seine feindselige Ausstrahlung umgab ihn wie ein Panzer.
Dann sagte er: »Ich weiß wirklich nicht, wie wir eine Ehe führen sollen, wenn ich dir nicht vertrauen kann.«
Eine eisige, rostige Klinge bohrte sich in meinen Magen, und ich musste mir den Bauch halten vor Schmerz.
»Ich mach es wieder gut. Ehrlich!«, rief ich mit erstickter Stimme.
Er drehte sich um und ging.
»Wir sehen uns gleich zu Hause, ja?«, rief ich verzweifelt hinterher.
Oh Gott. Was hatte ich getan? Ich Riesenidiot! Ich war wirklich egoistisch und hinterhältig. Aber kaltherzig war ich natürlich nicht, sonst würde ich mich jetzt nicht fühlen wie ein halb verdautes Häufchen Elend. Ich war gelähmt vor Entsetzen. Was, wenn er unsere Verlobung lösen würde? Wenn wir nicht heiraten und meine ganzen Zukunftspläne in sich zusammenfallen würden? Nein, das musste ich verhindern!
Ich rannte zu meinem Auto. Ich würde jetzt Kalbsschnitzel kaufen, gekochten Schinken und Käse und Eier und ihm das größte Cordon bleu aller Zeiten braten. Dazu würde ich Bratkartoffeln mit Zwiebeln und Speck machen – die liebte er. Nach dem Essen würde ich ihm in meinem La-Perla-Negligé einen Kaffee auf dem Sofa servieren und mich um unser Liebesleben kümmern.
Doch als ich verschwitzt und mit zwei Tüten bepackt nach Hause kam, war unsere Wohnung leer. Ich versuchte, Jens auf dem Handy anzurufen, doch es ging nur die Mailbox ran. Dann wählte ich Ellens Nummer. Vielleicht war Jens mit Arne was trinken gegangen.
Aber Ellen verneinte. »Arne ist noch in der Werkstatt.«
»Um diese Uhrzeit an einem Samstag?«
»Ja, da brennt im Moment der Baum. Ist einfach total viel los. Hey, wie wäre es, wenn du zu mir kommst?«
Also briet ich die Cordons bleus bei Ellen. Ich selber aß nichts. Die Angst schnürte mir den Magen zu. Eine Stunde später kam auch Saskia, die ich schon länger nicht gesehen hatte, weil sie einen neuen großen Fall hatte: die Scheidung zwischen dem prominenten Schauspielerpaar Ingrid und Ulrich Gehrke, die ziemlich dramatisch zu werden versprach und sie ordentlich einspannte.
»Er wird sich schon wieder einkriegen«, sagte Ellen, nachdem ich ihnen von dem Streit mit Jens erzählt hatte.
»Ich weiß nicht«, jammerte ich. »Er war knallhart. So kalt. Ganz komisch. Ach, irgendwie geht alles den Bach runter seit – seit der Verlobung. Er ist seitdem irgendwie merkwürdig drauf. Dauernd fährt er alleine zu seinen Eltern und will mich nicht dabeihaben. Und dann hat er mal gute Laune, wenn er wiederkommt, und mal ist er total mies drauf. Ich weiß nicht, was mit ihm los ist.«
»Ach, jedes Paar hat mal eine Durststrecke.« Ellen nippte an ihrem Prosecco.
»Ja, aber jetzt habe ich alles nur noch schlimmer gemacht.« Ich stützte stöhnend den Kopf in die Hände. »Kein Wunder, dass er stinksauer ist auf mich, wo ich ihm doch eine Kundin geklaut habe.«
»Ich glaube, damit hat das gar nichts zu tun«, warf Saskia ein.
»Ach nein? Womit denn
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