Ordnung ist nur das halbe Leben
meine Mutter mit in den Urlaub fährt. Dann können wir nämlich abends auch mal weggehen. Aber er meint, sie dränge sich in unser Leben und er wolle mit seiner Familie alleine sein. Er will einfach nicht kapieren, dass meine Mutter auch zur Familie gehört.«
Saskia hatte während Ellens ausschweifenden Monologs immer wieder angespannt auf ihr Handy geguckt, weil sie einen dringenden Anruf wegen ihres Promi-Scheidungsfalls Gehrke erwartete.
Ich versuchte, eine Betroffenheitsmiene zu machen, und sagte den Satz, den ich von Ellen auch dauernd zu hören bekam: »Das wird schon wieder.«
»Moni, was grinst du eigentlich die ganze Zeit so?«, fragte Saskia mich plötzlich.
»Ja, genau! Das ist mir auch gerade aufgefallen«, warf Ellen ein. Beide schauten mich aufmerksam an. »Hat Jens endlich eingesehen, dass er übertrieben reagiert hat wegen dieser Mandantin, die du ihm abspenstig gemacht hast?«
»Was? Nein. Jedenfalls hat er nichts darüber gesagt. Und so übertrieben war das gar nicht von ihm. Es war ja auch ein Riesenfehler von mir.«
»Und das lässt er dich ganz schön spüren«, sagte Saskia. »Und warum?«
»Äh. Weil es ein Riesenfehler war?«, gab ich zurück.
»Nein. Weil er jetzt wieder Macht über dich hat.«
»So ein Quatsch! Ist doch klar, dass er sauer ist, weil ich ihn angelogen habe.«
»Aber doch nicht so lange!«, regte sich Saskia auf. »Er führt sich ja auf wie der Rächer der Enterbten, du meine Güte. Dabei hast du dich doch entschuldigt!«
»Genau. Und jeder macht doch mal einen Fehler. Er hat auch schon Fehler gemacht«, sagte Ellen. »Und die reibst du ihm auch nicht dauernd unter die Nase.«
»Der einzige Grund, wirklich sauer zu sein, ist, wenn einer fremdgeht«, verkündete Saskia. »Und so was machst du ja nicht.«
»Nein. So was mache ich nicht«, sagte ich und dachte an gestern Abend.
Zum Glück hatte Lennart mich nicht geküsst. Ich war gelinde gesagt ein kleines bisschen verwirrt. Was war denn mit mir los gewesen? Wieso hatte mich dieser zauselige Typ so um den Finger wickeln können? Das beunruhigte mich etwas. Ich beschloss, meinen Freundinnen lieber nichts von Lennart zu erzählen. Das würde vielleicht merkwürdig rüberkommen.
Saskias Telefon klingelte. »Endlich!«, sagte sie und sprang auf, dabei stieß sie mit dem Kellner zusammen, der ein Tablett mit Gläsern fallen ließ.
»Hey«, rief er. »Pass doch auf.«
»Pass doch selber auf«, motzte Saskia zurück und ging ungerührt weiter, um in Ruhe zu telefonieren. Ihr aktueller Fall spannte sie wirklich ganz schön ein. So nervös hatte ich sie seit ihrem Examen nicht mehr gesehen. Ich half an Saskias Stelle dem Kellner, die Scherben aufzusammeln, was er mit einem mürrischen Blick quittierte, dann setzte ich mich wieder an den Tisch.
»Ich wünschte, Jens würde mal anrufen«, seufzte ich mit einem Blick auf mein Handy. »Ich erreiche ihn nie – immer hat er die Mailbox eingeschaltet.«
»Ruf ihn doch spätabends in seinem Appartement an«, schlug Ellen vor.
»Gute Idee«, sagte ich. »Das mache ich nachher mal. Und was willst du jetzt wegen deiner Mutter unternehmen?«
»Ich weiß es auch nicht«, jammerte Ellen. »Wenn ich meiner Mutter absage, ist die sauer. Und wenn sie mitkommt, ist Arne sauer.«
»Und wenn sie nur die Hälfte der Zeit mitkommt?«, schlug ich vor.
»Das ist eine gute Idee«, rief Ellen. Dann sank sie wieder in sich zusammen. »Aber das ist auch kompliziert wegen der Fahrt. Es sind immerhin tausend Kilometer bis in die Bretagne. Ach, ich weiß auch nicht. Das Blöde ist, dass ich Mama nicht verärgern will, weil ich sie brauche, wenn ich im Sommer wieder anfange zu arbeiten. Dann muss sie nachmittags auf Fritz aufpassen. Aber das versteht Arne alles nicht.«
Saskia kam wieder. »Mann, ist das eine schwierige Sache«, sagte sie und trank einen großen Schluck von ihrem Hefeweizen. »Ich muss unbedingt noch einen Zeugen auftreiben, der bestätigen kann, dass Ingrid Gehrke jahrelang ihren Mann betrogen und für ihre Liebschaften all ihr Geld verpulvert hat. Ihr könnt euch nicht vorstellen, was das für ein Luder ist. Sie hatte es immer auf junge Männer abgesehen. Manche nur so alt wie ihr Sohn.«
»Die haben einen Sohn?«, warf Ellen ein.
»Das ist mir auch neu«, sagte ich. »Bist du sicher?«
»Ja, von dem hat man noch nie was gehört. Auf jeden Fall will sie trotzdem die ganze Kohle von ihrem Ex haben, nur weil ihr keiner mehr eine Rolle gibt und er nach dem Gewinn des
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