Ordnung ist nur das halbe Leben
gefährlich.«
»Ich spiele doch nicht mit dem Feuer. Es ist doch absolut nichts passiert!«
»Schätzchen, du schläfst im Haus von deinem Chef, ziehst die Kleider seiner Frau an und gehst mit dem Nachbarn aus. Die Sache ist ganz klar«, schlussfolgerte Saskia. »Du führst ein Doppelleben. Und das ist absolut nicht nichts .«
Saskia war doch verrückt geworden, dachte ich, als ich nach Hause kam. Ich hatte mich doch nicht in einen anderen verliebt! Ich liebte Jens über alles. Mich überkam ein Anfall von Sehnsucht. Ich würde ihn jetzt in seinem Appartement anrufen, ob ich ihn oder andere damit weckte, war mir egal. Er hatte mir erzählt, dass er in einem Appartement am Kensington Park untergebracht war. Die Nummer selbst hatte ich nicht, aber die musste ja irgendwo in seinen Unterlagen stehen.
Ich ging in unser Arbeitszimmer und schaute auf seinem Schreibtisch nach. Natürlich würde ich nicht schnüffeln, sondern lediglich die Nummer von seinem Appartement suchen. Leider lag sie nicht irgendwo gut sichtbar obenauf. Deswegen war ich doch gezwungen, die Schubladen aufzuziehen. Dort fand ich aber auch nur Rechnungen, die Unterlagen von Arnes Kfz-Werkstatt für die nächste Inspektion von Jens’ Auto, ein paar alte Zeitungsseiten mit Annoncen, Kontakt- und Kleinanzeigen, bei der mir die Überschrift Tiere auffiel. Wollte er sich ein Meerschweinchen zulegen? Das sähe ihm gar nicht ähnlich. Ich stopfte wieder alles zurück.
Mich überkam ein dumpfes Gefühl, aber dann ging mir ein Licht auf. Die Mappe mit den Fortbildungsunterlagen hatte er natürlich mitgenommen! Genau, das war die logische Erklärung dafür. Ich sprach ihm aufs Band und sagte ihm, er solle mir doch mal die Festnetznummer von seiner Unterkunft geben – für alle Fälle.
Doch am nächsten Tag, als er mich endlich anrief, meinte er, er wüsste sie überhaupt nicht.
»Wie heißt denn das Appartement? Dann suche ich mir die Nummer selbst raus«, fragte ich.
»Oh Mann. Auch das habe ich gerade vergessen. Ich rufe dich noch mal an und sage sie dir, wenn ich später in meinem Zimmer bin, in Ordnung?«
»Ist gut«, sagte ich erleichtert. Ich erzählte ihm, dass ich viel arbeitete, meine Eltern wieder Ärger machten und dass ich bei meinem Chef die Blumen während seines Urlaubs goss. Jens ließ mich plappern. »Bist du noch dran?«, fragte ich.
»Was? Ja, klar«, sagte er.
Doch irgendwie klang er abgelenkt. Also echt. Wenn ihn mein Leben hier sowieso nicht interessierte, dann brauchte ich ihm ja auch gar nichts erzählen, was vielleicht aus der Entfernung einen komischen Eindruck machen könnte. Von Lennart zum Beispiel.
Das Hochdruckgebiet hielt sich weiterhin über Deutschland. Trotzdem ließ ich zwei Tage das Gießen ausfallen, um Saskia zu beweisen, dass ich absolut kein Doppelleben führte. Erst am Montag fuhr ich wieder in den Ort meiner Kindheit, aus Sorge um die Bonsais und um Banjo abzuholen. Ich würde einen schönen Spaziergang mit ihm machen und den Gießdienst erledigen. Natürlich nahm ich Banjo nicht mit in die Designerbude! Er wäre ausgeflippt wegen der metallenen Mutantenkatzen. Ich band ihn am Gartenzaun fest und sagte, er solle draußen warten.
Es war gut, dass ich kam, denn ein paar der Bonsais ließen schon die Blätter hängen. Ich pumpte Regenwasser ab und betrachtete dabei den Kirschbaum, dessen Früchte hellrot leuchteten und den Amseln offensichtlich schon gut schmeckten. Ich hätte mir jetzt glatt eine gepflückt, wenn ich nicht so ein Wurmtrauma von früher gehabt hätte, weil ich einmal eine Pflaume von der Streuobstwiese gepflückt und arglos hineingebissen und dann die weiße Made entdeckt hatte.
Ich goss die Bäumchen wie gewohnt und strich beim Hinausgehen einmal sehnsüchtig über das feine Leder des Massagesessels, der für mich immer unerreichbar bleiben würde. Das Teil wurde von einem Designer in Handarbeit hergestellt und kostete unfassbare sechzehntausend Euro, wie ich im Internet herausgefunden hatte!
»Hey, Banjo, da bin ich wieder«, rief ich, als ich die schwere Tür hinter mir zuzog. Da sah ich, dass mein Hund gar nicht alleine war. Er ließ sich mit offensichtlichem Wohlgefallen eine ordentliche Streicheleinheit von Lennart gefallen.
»Hi, Lennart«, sagte ich. Ein warmes Gefühl breitete sich in meinem Bauch aus.
»Hallo«, sagte Lennart. »Gehört der dir?«
»Ja, das ist Banjo.«
»Habe ich mir schon gedacht, weil du ihn gerade so gerufen hast.«
»Ha, ha. Pass auf, dass er dich nicht
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