Ordnung ist nur das halbe Leben
rechten Fuß nachziehen wollte, merkte ich, dass sich das Hosenbein verfangen hatte. Mist. Ich versuchte es mit Gewalt.
Meine Hose machte ratsch !, und ich rief: »Aua!«, denn mein Knöchel war gegen die Autotür geknallt. Aber ich war drin. Mein Hosenbein war zerrissen und meine Bluse ebenfalls, wie ich feststellte. Ganz toll. Ich würde neue Klamotten brauchen. Aber erst mal musste ich den Ersatzschlüssel finden.
Mein Vater war ein totaler Schlüsselschlunz. Dauernd kamen ihm die Schlüssel abhanden. Deswegen bunkerte er den Ersatzschlüssel auch normalerweise im Auto. Früher hatten ihn meine Eltern in einer bunt bemalten Konservendose auf einem Bord über dem Tisch aufgehoben. Leider war sie dort nicht mehr. Typisch.
Der hintere Teil des Wagens war von meinem Vater zu einer Art Wohnmobil ausgebaut worden. Es gab ein paar schmale Schränke, einen Herd und eine Rückbank, die man mit dem Tisch zu einem Bett umbauen konnte. Außerdem stand noch eine große Metallkiste rum, in der mein Vater Werkzeug und andere Arbeitsutensilien aufbewahrte, und die man bei der Fahrt unter dem Tisch befestigen konnte. Schnell durchstöberte ich die Schränke. Aber ich fand nur eine gigantische Sammlung Plastiktüten, eine Taschenlampe, ein paar zerlesene Bücher, drei Zahnbürsten mit schuhcremefarbenen Borsten, eine Knäckebrotpackung und vier Dosen Corned Beef.
Dann fiel mir der Stauraum über der Fahrerkabine ein. Da bewahrten meine Eltern die Schlafsäcke und Kissen auf. Ich schob die kleine Tür zur Seite, und ein Stück Stoff fiel raus. Aber unter all dem Gewühle ertastete ich tatsächlich Metall und zog eine Art Baumschere hervor. Mist. Ich stopfte sie zurück und knallte dabei gegen etwas, das ein metallisches Geräusch von sich gab. Es war tatsächlich die Konservendose! Unter einer leeren Tesarolle, einem Bleistiftstummel und ein paar ranzigen Hustenbonbons lag der Ersatzschlüssel!
»Na bitte«, sagte ich zufrieden. Dann bückte ich mich und hob das Stück Stoff auf, das herausgefallen war. Es war weinrot, orange und gold mit türkis und kam mir bekannt vor. War das eine Tischdecke? Doch als ich den Stoff auseinanderfaltete, erinnerte ich mich. Es war eine Art Hemdkleid, das meine Mutter aus einem Urlaub auf Sri Lanka mitgebracht hatte. Man trug es über der Hose, und obwohl meine Mutter darin aussah wie eine wandelnde Weihnachtsauslage, hatte sie jedes Mal von der außergewöhnlichen Bequemlichkeit dieses Kleidungsstückes geschwärmt. Mmhh. Ich wühlte in dem Fach nach der passenden Hose und fand zwischen Decken und Kissen nur eine dunkelgrüne türkische Pumphose. Gut. Die Pro-und-Kontra-Liste, schnell!
Pro: Mein Hosenbein war zerrissen, meine Bluse ebenfalls. Beides war dreckig, und mit einer weißen Hose mit einem roten Fleck im Schritt würde ich auf gar keinen Fall rumlaufen. Kontra: Mit den Klamotten meiner Mutter sah ich aus wie eine Adventsdekoration. Die Entscheidung war einfach.
»Wie siehst du denn aus?«, fragte Ellen entgeistert.
»Frag nicht«, brummte ich. »Wir sollten uns lieber beeilen.«
»Du siehst aus wie deine Mutter!«, stellte Saskia fest.
Ellen kicherte. Ich wollte sie schon tadeln, aber dann musste ich plötzlich auch lachen. Das Lachen entsprang zwar eindeutig der Hysterie, aber das machte es nicht weniger spaßig. Kurz darauf gackerten wir alle drei. Wir schafften es kaum, den Sessel in den Bus zu hieven.
»Hört auf jetzt!«, mahnte ich und unterdrückte einen weiteren Lachanfall.
Schließlich übermannte uns die Anstrengung, und wir wuchteten das Ding schwitzend ins Auto. Zum Schutz vor weiteren Flecken hatte ich eine Decke auf den Boden gelegt, auf den wir den Sessel stellten. Fritz schnallten wir in seinem Maxi-Cosi auf die Rückbank. Ellen setzte sich daneben, und dann brausten wir los in die Nacht hinein.
»Was steht denn im Internet über diesen Designer?«, fragte ich.
»Also«, sagte Saskia und blätterte sich auf ihrem Smartphone durch die Webseite. »Er heißt Gool Hofmann. Was für ein total bescheuerter Name!«
»Aber echt«, rief Ellen von hinten.
»Ach, da kann er sicher nichts dafür. Da sind bestimmt seine Eltern schuld«, warf ich ein.
»Ich weiß nicht«, sagte Ellen. »Ich meine, wer nennt denn sein Kind freiwillig Gool?«
»Oder Puna Monday?«, fügte ich hinzu.
Saskia räusperte sich und sagte: »Gool Hofmann wohnt in Itzehoe. Das ist ungefähr sechzig Kilometer hinter Hamburg. Hört euch an, was dieser Verrückte schreibt: ›Die Morgenstunden sind
Weitere Kostenlose Bücher