Ordnungszahl 120
uns auf den Lagern festhielten. Den schwerelosen Zustand kannte ich nur zu gut. Ich darf Ihnen versichern, daß er alles andere als angenehm ist.
Mir machte es nicht so viel aus, aber Hannibal wurde schon grün im Gesicht. Seine Beine ragten plötzlich gegen die Decke, doch er bemerkte es nicht. Ein »Oben« und »Unten« gab es hier nicht mehr.
Sekunden später begann er zu stöhnen. Auch bei mir machte sich ein flaues Gefühl im Magen bemerkbar. Flüchtig mußte ich an einige Erzählungen denken, die ich als Junge gelesen hatte. In den Büchern waren vergnügte Sprünge geschildert, die von den Raumfahrern im schwerelosen Zustand ausgeführt wurden. Die Leute waren lachend durch die Luft gesegelt. Sie hatten sich überkugelt und überaus komische Verrenkungen vollführt, bis die Schwere mit dem Wiedereinsetzen der Triebwerke zurückkehrte.
Wie hatte man sich früher den eigenartigen Zustand der fehlenden Gravitation doch amüsant vorgestellt! Ich persönlich legte nicht den geringsten Wert darauf, wie ein Blatt im Winde durch die enge Kabine zu schweben und mir Beulen zuzuziehen.
Mir war so übel, daß ich nicht einmal den Versuch unternahm, das Außenbordbildgerät einzuschalten, um einen Blick auf den sternfunkelnden Raum und die zur Kugel gewordene Erde zu werfen.
Ich dachte nur an meinen Magen, an den Schweißausbruch und an das unbeschreibliche Gefühl des ständigen Fallens. Ich hatte mir sagen lassen, daß der Zustand auf die gestörten Gleichgewichtssinne zurückzuführen war. Ich wußte auch, daß mein Kreislauf zur Zeit nicht so funktionierte wie unter normalen Umständen.
Ferner war uns erklärt worden, daß der schwerelose Zustand durchaus nicht gefährlich war. Aber man brauchte viele Stunden, bis sich der Körper daran gewöhnt hatte. Hochtrainierte Astronauten reagierten da viel besser. Sie konnten wirklich lachen!
Weder Hannibal noch ich waren Raumpiloten. Wir hatten zwar unser hartes Zentrifugentraining absolviert, aber die Praxis sah doch anders aus. Auf der Erde gab es keine technische Einrichtung, mit deren Hilfe man uns stundenlang auf die Schwerelosigkeit hätte vorbereiten können.
Ich verhielt mich so ruhig wie möglich und bemühte mich, die Schleier vor meinen Augen zu verdrängen. Mir war alles gleichgültig. Wenn ich einen klaren Gedanken fassen konnte, so drehte er sich um die Reisezeit von fünfzehn Stunden.
Hannibal wimmerte. Seine Haltung war unverändert. Er versuchte nicht, seine anormale Lage zu korrigieren.
Es schien Ewigkeiten zu dauern, bis links von uns das Sicherheitsschott aufglitt und ein Mann eintrat. Ich sah ihn nur verschwommen. Das Knallen seiner Magnet-Schuhsohlen dröhnte in meinen Ohren.
Als er mit seltsam wiegendem Gang näherkam, machte ich mir klar, daß er diesen Zustand schon oft erlebt haben mußte. Er flog bestimmt schon seit Jahren; für ihn war das Schreckgespenst des freien Falls längst nicht mehr vorhanden. Mit Hilfe seiner Spezialschuhe ging er recht sicher. Seine Körperbeherrschung grenzte an Artistik.
Als er dicht vor mir stand, fiel mir sein schadenfrohes Gesicht auf. Er amüsierte sich köstlich über die »Landhupfer«, die jammernd und klagend in den Gurten hingen.
Ich bemühte mich, mein Stöhnen zu unterdrücken. Als sich sein Gesichtsausdruck nicht veränderte, keuchte ich ärgerlich:
»Wir sprechen uns noch auf dem Mond. Was kann ich dafür, wenn ich an den Zustand nicht gewöhnt bin. Was wollen Sie?«
Er zeigte mir die automatische Injektionsspritze, die ein Medikament enthielt, das speziell gegen das Gefühl des Fallens entwickelt worden war.
»Der Kommandant ist der Meinung, Sir, es wäre für Sie besser, wenn Sie den Nadelstich
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