Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Organic

Organic

Titel: Organic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Kava
Vom Netzwerk:
Blatt Papier heraus und faltete es auf dem Tisch auseinander. Wie über einen heiligen Text beugten sich die drei darüber. Qasim nahm einen Stift und seinen Collegeblock und spielte seine Rolle als Student weiter, indem er vorgab, sich Notizen zu machen.
    Der Plan war auf einfaches weißes Papier gezeichnet, das auf den ersten Blick belanglos aussah. Als Abda den Umschlag zuvor auf dem Rücksitz seines Taxis geöffnet hatte, hatte er zuerst nur diese Zeichnung mit den merkwürdigen Beschriftungen gefunden und einen Laut der Enttäuschung von sich gegeben. Er war sich sicher, dass man sie an der Nase herumgeführt hatte; dass der Informationsfluss mit einem Mal unterbrochen und ihm stattdessen ein Täuschungsmanöver in Form einer Bleistiftzeichnung angedreht worden war.
    Als jetzt seine Freunde auf die Zeichnung starrten, sah er in ihren Gesichtern dieselbe Verwirrung.
    Er zeigte auf ein Dreieck am oberen Bildrand. „Da sitzt das Präsidium.“ Sein Finger fuhr nacheinander über mehrere Kreise darunter, während er flüsterte: „Die europäische Delegation, die Vertreter der US-Olflrmen, die Kongressabgeordneten.“
    Abda beobachtete, wie sich ihre Verwirrung in Aufgeregtheit verwandelte, als auch sie die Zeichnung verstanden.
    „Das Bankett?“, fragte Khaled leise, und Abda sah, wie er ein Lächeln unterdrückte.
    Abda nahm Qasims Bleistift und malte Kreise um mehrere der Beschriftungen, die aus zwei oder drei Buchstaben, manchmal auch aus einer Nummer, bestanden.
    „Hier sind nicht nur die einzelnen Tische eingezeichnet, sondern auch die genaue Sitzordnung“, erklärte er. „Wir wissen jetzt also ganz genau, wo unser Ziel sitzen wird.“

17. KAPITEL
    Samstag, 10. Juni
    EcoEnergy
    „Einen großen Latte mit aufgeschäumter Milch und einen Espresso. Sonst noch was?“
    „Nein, das war’s schon“, antwortete Sabrina und nahm den Kaffee in die eine Hand, während sie mit der anderen der Frau hinter dem Tresen ihre Visa-Karte reichte. Mit der Kreditkarte erhielt sie regelmäßig eine detaillierte Aufstellung ihrer monatlichen Ausgaben, weshalb sie sie ständig benutzte. Dadurch befriedigte sie ihren zwanghaften Drang nach Ordnung und Organisation. Deshalb und dank der elektronischen Geldkarte hatte sie inzwischen fast nie mehr Bargeld bei sich.
    Sabrina wechselte die gleichen Worte mit der kleinen Asiatin, die den Kaffeestand von EcoEnergy führte, jeden Samstagmorgen seit fast einem Jahr. Und trotzdem tat die Frau jedes Mal so, als wären sowohl die Bestellung als auch Sabrina ihr völlig unbekannt. Trotz der unübersehbaren Namensschilder mit der großen Schrift neben dem Passbild sprach keine der Frauen die andere mit Namen an. Die eine trug ihres am Bändchen ihrer Schürze voller Kaffeeflecken, die andere am Aufschlag ihres Laborkittels. Das allein markierte den Unterschied zwischen ihnen. Sabrina hatte die soziale Hierarchie des Unternehmens sehr schnell kennen gelernt.
    Aber eigentlich vermisste Sabrina eine gewisse familiäre Vertrautheit kein bisschen. Sie wahrte ihre Privatsphäre und mochte sogar eine gewisse Anonymität. Daran hatte sie sich in Chicago gewöhnt und wusste es seither zu schätzen. Und hier war es eben nicht viel anders als zwischen einer Professorin und ihren Studenten. So jedenfalls sah es Sabrina, auch wenn es ihr angesichts der Firmenphilosophie von EcoEnergy ein wenig widersprüchlich vorkam. Die Firma erstreckte sich über ein Areal von vierzig Hektar im Niemandsland und hielt sich etwas auf die Kleinstadtatmosphäre zugute, die man geschaffen hatte, mit Sporteinrichtungen und Gastronomie, wodurch es hier eher wie eine Ferienanlage aussah denn wie eine Fabrik. Es gab sogar eine Reinigung, eine Bankfiliale und einen kleinen Laden, der von der Tüte Milch bis zum Marken-T-Shirt alles verkaufte.
    Der Aufsichtsratsvorsitzende William Sidel brüstete sich gerne damit, dass seine zweihundertsechsundsiebzig Mitarbeiter eine einzige große, glückliche Familie seien. Lansik hatte in Sabrinas Bewerbungsgespräch auf seine Weise darauf Bezug genommen. Aber in einem familiären Umfeld zu arbeiten hatte ganz und gar nicht Sabrinas Erwartungen entsprochen. Sie hatte bereits eine Familie, die ihr fremd geworden war. Noch mehr Fremde, die angeblich ihre Familie waren, konnte sie nicht gebrauchen.
    An einem Samstagmorgen wie diesem hätte es eigentlich besonders schwierig für sie sein müssen, die wenigen zu ignorieren, die auf dem Gelände des West Park herumliefen, zu dem die Labors, die

Weitere Kostenlose Bücher