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ihr den Rest zu geben. Er hatte es einfach satt, sich irgendeinen Unfall auszudenken. Und wenn man es überstürzte, machte man Fehler. Und dann diese Entdeckung, dass ihr alter Herr im selben Irren-Knast lebte wie Casino-Rudy. Was zum Teufel sollte er auch machen? Aber es konnte nicht gut ausgehen, wenn man es eilig hatte. Genau das war ihm schließlich mit Casino-Rudy auch schon passiert. Jedenfalls erklärte Leon es sich lieber so, als an die übergeschnappte Wahrsagerin zu denken, die was von einem Fluch gefaselt hatte, den sie ihm verpasst haben wollte.
Wer zum Teufel glaubte schon an so was? Leon jedenfalls nicht. Oder zumindest bisher nicht.
Ungefähr vor einem Monat war er hinter einem Idioten aus New Jersey her gewesen, einem Buchhalter, der so blöd war zu glauben, er könnte seinen Boss um zweihunderttausend Mäuse betrügen und damit durchkommen. Bis nach Coney Island war Leon ihm gefolgt. Klasse Ort, um den Kerl wegzublasen. Aber gerade als Leon beschlossen hatte, ihn während des Feuerwerks zu erledigen, hatte sich der Schwachkopf mit einer Frau und einem kleinen Kind zusammengetan. Selbst Leon hatte seine Prinzipien. Er brachte niemanden um, wenn ein kleines Kind dazugehörte.
Um sich den Abend nicht völlig vermiesen zu lassen, hatte Leon ein Bier an der Bar des Panoptikums getrunken, um sich das Völkchen dort anzuschauen. Aber es war kein Vergleich zu seiner Kindheit. Nicht im Entferntesten vergleichbar mit Jojo, dem Jungen mit dem Hundegesicht. Nur ein paar tätowierte Irre und Schwertschlucker. Verdammt, er hatte mehr als genug Schwerter gesehen, die in interessanteren Körperteilen versenkt wurden als in diesen Fressen.
Als er schon gehen wollte, hatte ihm diese wahrsagende Zigeunerin mit schwarzen Augen und großem Ausschnitt zugewinkt. Sie hatte ihn mit ihrem Zeigefinger gelockt, als wäre er mit einer dünnen Schnur daran befestigt. Wie hätte er bei dieser Aufforderung wissen sollen, dass Wahrsagerinnen es partout nicht leiden konnten, wenn man sie anmachte? Schließlich stand ihnen das nicht ins Gesicht geschrieben. Aber seinen Zwanziger nahm sie trotzdem, spuckte dann in ihre Hand und faselte irgendwas von einem „Fluch eines toten Vorfahren“.
In jener Nacht hatte Leon darüber nur gelacht, aber allmählich fand er das Ganze nicht mehr so lustig.
Er zahlte und ging, ohne noch ein Stück von dem Limonenkuchen zu versuchen, wie er es eigentlich vorgehabt hatte. Er warf einen Blick auf das dreistöckige Parkhaus gegenüber. Wenn er noch blieb, musste er den Wagen bewegen. Er konnte die schwarze Limousine nicht einfach am Flughafen stehen lassen, wie er es geplant hatte. Eigentlich hatte er zum Überweisungstermin um zwei Uhr sein Konto checken wollen, um dann den Heimflug zu buchen. So viel Ärger hatte er in den letzten zehn Jahren nicht mehr gehabt. Vielleicht sollte er sich für eine Weile von diesem verdammten Florida fernhalten. Fluch oder kein Fluch, man sollte das Glück nicht herausfordern. Er hätte wissen müssen, dass er keine drei Mal in derselben Gegend zuschlagen konnte, ohne dass irgendetwas schiefging. Es musste ja nicht gleich alles so leicht sein, wie diesen Typ einfach in einen Tank mit Schlachtabfällen zu kippen.
41. KAPITEL
Sabrina schloss sich in ihrem Büro ein. O’Hearn war verschwunden. Pasha saß wieder über seinen Akten und Reagenzgläsern. Anna hatte Sabrina ein paar böse Blicke zugeworfen und sogar etwas gemurmelt wie: „Ich weiß genau, was du vorhast.“
Sabrina schüttelte nur den Kopf. Sidel wollte eine Konkurrenzsituation unter ihnen schaffen, sie vielleicht sogar davon abhalten, weitere Fragen zu stellen. Sein Ausweichen hatte Sabrina alarmiert. Irgendwas ging da vor sich, und sie hatte das dumpfe Gefühl, dass Dwight Lansiks Kündigung etwas damit zu tun hatte.
Sie steckte ihren Mitarbeiterausweis in den ID-Schlitz des Computers. Im Unterschied zu Samstag gewährte er ihr diesmal Zugang. Vielleicht war das System durch das Gewitter ein bisschen durcheinandergekommen. Es war ihr egal, woran es gelegen hatte, Hauptsache, sie konnte es jetzt überprüfen.
Sie rief das Softwareprogramm auf, das den ganzen Produktionsablauf mit all den Rohren, Tanks und Filtern bis zum Druckablassprozess, dem Pump- und Spülvorgang anzeigte. Man konnte in Echtzeit die Ventile öffnen und wieder schließen. Lansik hatte ein geniales Programm erstellt. Mit dieser Software hatte er den gesamten Prozess überwachen können, und wenn irgendwo die Siedetemperatur
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