Orks vs. Zwerge
Lache davon, die in seine verfilzten Zöpfe kroch und sie wie fette Würmer wirken ließ, die sich in seinen Kopf bohrten.
Der Broca musterte die Verletzungen des Jungen. Sein Kiefer war gespalten, die rechte Schulter zertrümmert. Ein abgebrochener Wühlerpfeil steckte auf der linken Seite in seiner gepanzerten Brust, und in seinem Oberschenkel klafften zwei Axthiebe, aus denen noch immer beachtliche Mengen Blut sickerten. Viel konnte da nicht mehr kommen; der Ayubo hatte eine seltsam gelbgraue Farbe angenommen wie Talg, der mit Asche vermischt worden war. Die hässlichste der Wunden aber klaffte in seinem Unterleib, wo ihn eine Klinge direkt unterhalb des eisernen Brustpanzers getroffen hatte. Die zitternde Linke des Aerc lag noch immer auf dem Bauch, vergeblich bemüht, die entsetzliche Wunde verschlossen zu halten. Ragroths Augen wanderten zu der jungen Ayubo, die neben dem Sterbenden kniete, nach vorn gebeugt, sodass ihre Zöpfe beinahe das zerschlagene Gesicht streiften. Sie weinte nicht, gab keinen Laut von sich und rührte keinen Muskel. Ihre Hände lagen untätig in ihrem Schoß.
Was sollen sie auch tun? Da gibt es nichts mehr. Oder nur noch eines. Falls die Schamaninnen der Ayubo nicht Dinge konnten, die die magischen Frauen der Weststämme nicht beherrschten. Hinter ihm trat der junge Weststamm-Aerc unsicher von einem Fuß auf den anderen.
Ragroth räusperte sich. »Kannst du etwas tun?«
Die Urawi reagierte nicht. Erst als Ragroth schon ein zweites Mal fragen wollte, zuckte sie mit dem Kopf. Ein winziges Rucken nur, das Ragroth mangels Alternativen als Kopfschütteln deutete.
»Hm. Dann ist es jetzt vermutlich Zeit.« Er hob seine Kriegskeule leicht in die Höhe.
Wieder zuckte Sekeshs Kopf, diesmal eher als Nicken zu interpretieren.
»Soll ich?«
»Nein«, flüsterte Sekesh tonlos. »Geht.«
»Sicher? Ich hab das schon öfter …« Im Totschlagen bin ich gut.
»Geht«, wiederholte die Ayubo. Nicht lauter, aber mit einer Kälte, die Ragroth verstummen ließ. »Er ist mein Bruder. Das ist meine Aufgabe.«
»Hm«, machte Ragroth. Er zuckte mit den Schultern und drehte sich zu dem Jungen um. »Komm mit. Wir haben Arbeit.«
Hinter ihm zog Sekesh ein langes, dünnes Messer.
A ls der Oger seinen Hammer heftig auf die Tür des Ochsenkarrens krachen ließ, zuckte Krendar unwillkürlich zusammen. »Was?«, fragte er abwesend.
»Ich hab dich gefragt, was du hier machst«, knurrte der narbige Broca, der sich als Ragroth vorgestellt hatte. Der alte Krieger saß auf dem Rand der Barrikade und pulte unentschlossen an einem großen Holzsplitter herum, der aus seinem Oberschenkel ragte. »Der Rest der Aercleichen hier ist schwarz wie die Nacht. Abgesehen von dem da.« Ragroth nickte in Dudakis Richtung.
Der Froschaerc war aus dem Brunnen geklettert und durchsuchte ebenso wie die beiden Weststammkrieger und die Korrach-Brüder die Leichen nach Wertvollem. Er schien kein Problem damit zu haben, Finger oder Nasen abzubeißen, um an einen goldenen Ring zu kommen. »Einer aus den Sümpfen. Widerliche kleine Bastarde.« Ragroth spuckte angewidert aus. »Seltsame Gesellschaft für einen aus den Weststämmen.«
Krendar hob die Schultern und ließ sie wieder fallen. »Ich habe meine Doppelfaust verloren. Sie haben mich eingesammelt. Also habe ich mich ihnen angeschlossen. Kam mir wie eine gute Idee vor.« Zumindest, bis das Gemetzel losging. Dann – nicht mehr so.
Abwesend betrachtete Krendar die Leiche eines Zwergs, die nur zwei Schritte entfernt über den Resten der Barrikade lag. Es war nicht einfach, in dem hässlichen Gesicht zu lesen, aber irgendwie beschlich den Aerc das Gefühl, dass ihn der Tote verwundert anstarrte. Verwundert darüber, dass die uneinnehmbare Stadt der Zwerge jetzt in der Hand der Stämme war? Verwundert darüber, dass es letzten Endes doch gar nicht so schwierig war, einen Wühler zu töten? Oder vielleicht erstaunt über das zugige Loch, das der Speer des Korrach in seiner Brust hinterlassen hatte.
Andererseits – er war tot, oder? Krendar hatte keine Ahnung, ob Zwerge von ihren Ahnen erwartet wurden oder von irgendwelchen Göttern. Eine ganz neue Welt auf jeden Fall. Wenn das kein Grund war, ein wenig erstaunt auszusehen?
Trotzdem hatte Krendar plötzlich den dringenden Wunsch, dass das Gesicht des Toten irgendwo andershin staunte. Unauffällig streckte er einen Fuß aus.
»So – du hast also deinen Broca verloren?«
Krendar zuckte zusammen, zog den Fuß zurück und nickte.
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