Orks vs. Zwerge
einmal erklärt, dass das Warten der schlimmste Teil des Kriegs war. Er konnte diese Einstellung beim besten Willen nicht teilen. Für ihn war es die einzige Zeit, in der er die Augen schließen und seinen Tagträumen nachhängen konnte. Träume von einem Haus in den Hügeln und steinernen Kunstwerken, die er mit seinen eigenen Händen geschaffen hatte.
Unteroffizier Dvergat steckte den Kopf durch ein Loch im Dach nach unten und riss ihn aus seinen Tagträumen.
»Schauen Sie mal, Heetmann.«
»Was denn?«, brummte Talus. »Hast du das Fass aufbekommen?«
»Leider nicht. Aber ich glaube, ich habe jemanden gesehen.«
Auf dem Dach wehte ein eisiger Wind. Er war vom Fluss heraufgekommen und hatte begonnen, die Nebelschwaden auseinanderzutreiben. Noch immer hingen sie dicht über dem Boden, doch hier und da sah man vereinzelt Hausdächer und Bäume zwischen ihnen hervorblitzen.
Talus zog den Umhang fester um die Schultern. Er hustete trocken.
»Dort drüben war es.«
Er folgte dem Fingerzeig seines Unteroffiziers am Brunnen vorbei, zwischen den Gildenhäusern hindurch und bis hinauf zu den Stufen der Markthalle, die er im Nebel nur erahnen konnte. Er kniff die Augen zusammen. »Ich kann nichts erkennen.«
»Ich hatte mir eingebildet, dass dort jemand am Tor der Markthalle steht. Aber jetzt kann ich auch nichts mehr sehen.« Dvergat zuckte mit den Schultern. »Vielleicht waren es nur Trugbilder, die der Nebel erzeugt hat. Ich sitze schon viel zu lange hier oben und friere mir den Hintern ab.«
»Und deswegen musst du mich hier hochjagen?« Talus ließ den Blick weiterwandern.
Östlich der Ewigen Brücke drangen dumpf die Trommeln und Kriegshörner der Dalkar durch den Nebel. Es hieß, dass sie die Lage dort langsam wieder in den Griff bekamen. Wenn man den Berichten Glauben schenken konnte, hatten die Elfte und Fünfzehnte mehrere Hundertschaften der verfluchten Orks zurückgeschlagen und sogar einen ihrer Shirach gefangen genommen. Ein Sieg, der die Männer für einen Augenblick vergessen ließ, dass man von der Dreizehnten und den Gildenverbänden am Ostwall schon seit Stunden kein Lebenszeichen mehr gehört hatte.
Im Norden hatten ebenfalls heftige Kämpfe getobt. Auf der Prachtstraße hinauf zum Tempelberg war es einem Rudel dieser dreckigen Jakkar gelungen, irgendwie an den Barrikaden vorbeizuschlüpfen und einen Trupp Ingenieure zu zerfleischen, ehe sie von herbeigeeilten Clankriegern zum Grubenteufel gejagt wurden. Nur hier im Westen war es noch immer vollkommen ruhig. Doch Talus war lange genug Heetmann der Mauerwacht, um zu wissen, dass das nicht unbedingt ein gutes Zeichen sein musste.
In Höhe des Marktbrunnens nahm er auf dem Boden eine Bewegung wahr. Vielleicht ein Nebelfinger, der lustlos über den Boden waberte, oder ein herrenloser Straßenköter, der im Dreck nach Futter scharrte. Jedenfalls nichts, was irgendwie einem Ork ähnelte. Dafür war es viel zu niedrig.
Es sei denn, die Dreckskerle bewegten sich kriechend vorwärts …
»Verdammt!« Talus’ Augen zuckten zurück zum Brunnen. Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken. Sie hatten die Türen und Fenster der Häuser im Auge behalten und die Zugänge zu den Gassen. Orks waren groß und plump, und sie bewegten sich mit viel Lärm und Geschrei voran. Wie große, dumme Tiere, die in blinder Wut alles angriffen, was sich ihnen in den Weg stellte. Wer kam denn da auf die Idee, dass sie sich den Nebel zunutze machten, um sich klammheimlich auf allen vieren anzuschleichen wie gottverdammte Ratten? Er packte Dvergat am Kragen und zog ihn herum. »Schlag Alarm. Sofort!«
Als der lang gezogene, hohe Ton des Signalhorns vom Dach herunter über das Ufer scholl, wandten die Dalkar am Boden den beiden Männern auf dem Dach noch verwundert die Köpfe zu. Erst als ein zweites Horn den Ruf aufnahm und an die weiter entfernt positionierten Königlichen weitergab, begriffen sie endlich, was vor sich ging, und zogen ihre Waffen.
Auf dem Marktplatz und entlang der Uferstraße gaben die Orks ihr Versteckspiel auf und sprangen auf die Füße. Es war ein Anblick, als wären die Toten in ihren Gräbern erwacht und erhöben sich nun aus der Erde, um alles Leben auszulöschen. Es waren Dutzende, vielleicht sogar an die Hundert, die sich unbemerkt an die Dalkar herangeschlichen hatten. Ihre hässlichen Fratzen hatten sie zur Tarnung mit Dreck beschmiert und die Klingen ihrer Waffen dunkel gefärbt, um sie besser verbergen zu können. Doch nun gaben sie alle
Weitere Kostenlose Bücher